In der Wahl der Mittel war die Meinl Bank nie zimperlich. Mithilfe teurer Rechtsanwälte, PR-Berater und Detektive werden Behörden mit Klagen eingedeckt, Dirty-Campaining-Strategien gegen unliebsame Sachverständige ausgeheckt und jede Menge an medialen Nebelgranaten geworfen. Die Vorgangsweise des am Abgrund stehenden einstigen Imperiums, das den Anlegern und dem Finanzplatz Österreich schon schweren Schaden hinzugefügt hat, ist unter jeder Kritik. Doch die Untergriffe aus dem Hause Meinl dürfen die Behörden nicht dazu verleiten, Gleiches mit Gleichem zu vergelten.

Nach zahlreichen Angriffen der Justiz auf Meinl hat nun die Finanzmarktaufsicht einen spektakulären Schritt gesetzt. Mit der Abberufung der beiden Vorstände der Bank reagiert sie auf jahrelange Verfehlungen des arg gebeutelten Instituts. Nach allem, was bisher bekannt ist, sind die Gründe der Aufsicht für derartig gravierende Maßnahmen triftig. Nicht nur die FMA konstatierte wiederholte Eigenmittelunterschreitungen, mangelnde Wertberichtigungen oder fehlende Steuerung und Revision. Schon mehrere Wirtschaftsprüfer sahen sich wegen Meinl'scher Finanzakrobatik dazu genötigt, von ihrer Redepflicht Gebrauch zu machen. Sie schlugen also gegenüber Gremien und Aufsicht Alarm, unter anderem weil hohe Verluste und eine Verschärfung der Risikolage "zu einer Bestandsgefährdung führen können".

Die Berichte der Aufsicht und der Wirtschaftsprüfer vermitteln ein horrendes Bild der Zustände in der Bank: negative Abweichungen bei der Eigenmittelquote um 36,5 Prozent binnen zweier Monate, mangelnde Vorsorgen für Problemkredite, lückenhafte Dokumentation, fehlende Richtlinien und so weiter. Parallelen zu den Prüfberichten zur Hypo sind nicht ganz von der Hand zu weisen.

Die Finanzmarktaufsicht mag mit der Abberufung der Vorstände einen drastischen Schritt mit überschießenden Bonmots ("bilanzieller Blindflug", "ungeeignetes Persönlichkeitsbild") gesetzt haben: Doch die entschiedene Vorgangsweise gegenüber einer mäßig beleumundeten Bank erscheint sachlich gut begründet und angesichts der Fülle an Schieflagen heimischer Kreditinstitute im Sinne der Generalprävention sogar angebracht. Dennoch läuft in der Causa Meinl ebenso wie in anderen mehr oder weniger clamorosen Fällen (wie der Causa Grasser) einiges schief.

Bei Meinl wird ja oft der Ausgangspunkt des Vorwurfs vergessen: Das Institut hat sein milliardenschweres Depot an gefährdeten Zertifikaten der Meinl European Land dieser Gesellschaft und somit deren Anlegern umgehängt. Der Vorgang wurde in allen Details – mit tatkräftiger Unterstützung der Notenbank – dokumentiert und geprüft. Es geht also lediglich um die strafrechtliche Würdigung des Skandals. Diese hat die Staatsanwaltschaft in acht Jahren nicht zustande gebracht.

Stattdessen verstrickt sich die Anklagebehörde in dubiosen Seitensträngen, beschäftigt sich mit den Geldflüssen angeblicher Liebschaften von Bankverantwortlichen, installiert Kameras zur Observierung in eigens aufgestellten Verkehrszeichen vor dem Institut oder beantragt schwer argumentierbare Haftbefehle wegen eines nicht gefundenen Tablets. Das Ganze erinnert längst an einen Rachefeldzug gegen einen mehr als lästigen Widersacher. Doch das Prinzip "Auge um Auge" hat in einem Rechtsstaat nichts verloren. Auch wenn einen der Gegner zur Weißglut treibt. (Andreas Schnauder, 30.7.2015)