Actionhandwerk auf zwei Rädern: Tom Cruise ist in "Mission: Impossible – Rogue Nation" wieder einmal auf der Überholspur unterwegs.

Foto: Bo Bridges
KinoCheck

Wien – Ein Vinylplattengeschäft mitten in London? Kein Wunder, dass es sich dabei nur um eine Attrappe handelt. Die Verkäuferin, die besser in eine Louis-Vuitton-Boutique passen würde, weiß auch gleich, dass sie einen prominenten Kunden hat: "Sind Sie das wirklich?", fragt sie Ethan Hunt – die wilden Geschichten über ihn, "sie können nicht alle wahr sein". Man weiß in diesem Moment nicht so genau, ob die Aussage ironisch gemeint ist. Eher nicht. Denn Topagent Ethan Hunt wird in Mission: Impossible – Rogue Nation als Mythos gehandelt. Dieser Status ist seinem auf Ewigkeit einzigen Darsteller einiges wert.

Die Mission: Impossible-Reihe, die bekanntlich auf der gleichnamigen TV-Serie aus den 1960er-Jahren basiert, ist in ihrer Konzentration auf eine Person ein Unikum im Blockbuster-Geschäft. Der 53-jährige Tom Cruise verwaltet es mit der gleichen Sorgfalt wie seine Frisur und seinen rosigen Gesichtsteint; davon konnte man sich auch bei der Weltpremiere in Wien ein Bild machen, als er stundenlang für seine Fans Autogramme gab. Handverlesen sind überdies die Regisseure, so folgten auf die beiden Genrestilisten Brian de Palma und John Woo die smarten Action-Kino-Revisionisten J. J. Abrams und Brad Bird. Der Erfolg der Serie hat in Teil vier ein wenig nachgelassen – erst das globale Geschäft sicherte Gewinne. Von einem Flop konnte trotzdem keine Rede sein.

Bewährte Muster

Mit Regisseur Christopher McQuarrie holte sich Cruise nun jenen Vertrauensmann ins Team, mit dem er bereits in Jack Reacher (Regie, Drehbuch) und Edge of Tomorrow (Drehbuch) gearbeitet hat. Das signalisiert nicht nur auf dem Papier "auf Nummer sicher gehen", die Besinnung auf bewährte Muster zeigt sich auch in der Konzeption des Films als Action-Getöse, das die Fertigkeiten seines Stars in gefälliges Licht rückt.

Cruise macht keinen Hehl daraus, dass er die Stunts selbst exekutiert: Er ist ein Mann des analogen Zeitalters. Für unsere Unterhaltung arbeitet er mit Ganzkörpereinsatz. An einem Sequel zu Top Gun würde er nur mitwirken, sagte er unlängst, wenn es ohne Computeranimation auskäme. Die Sorgen seiner Versicherung will man nicht haben.

Die Actionszenen von Mission: Impossible – Rogue Nation sind dementsprechend "old fashioned", physische Spektakel, extremsporttauglich. Das Set-Piece in der Wiener Staatsoper arbeitet souverän mit Hitchcocks Trick, zwei Geschehen zugleich ablaufen zu lassen und das Publikum im Kino damit zu unterhalten, dass es mehr weiß als jenes im Film. Verfolgungsjagden spielt McQuarrie breit aus, effektiv gerät jene auf Motorrädern in Marokko – was sich nicht zuletzt dem rasanten Schnitt verdankt.

Damit die Abfolge solcher Szenen nicht ganz zur Nummernrevue gerät, hat sich McQuarrie eine Handlung einfallen lassen, die in jeder Langzeitserie irgendwann wie eine Immunschwäche auftritt. Der IMF (Impossible Missions Force), Hunts Heimatorganisation, gerät wie zuletzt auch James Bonds MI6 unter Generalverdacht. Damit mutiert nicht nur der Agent zum Gejagten, diese Entwicklung erleichtert auch seinem Gegenspieler, einem ominösen Verbrechersyndikat, das Geschäft, weil niemand mehr an dessen Existenz glauben will.

Attraktive Gegenspielerin

Die vielen Twists des Plots stiften dennoch eher Verwirrung, aus eigener Kraft gewinnt er wenig Sog. Einzig die Idee, Hunt eine Agentin der Konkurrenz gegenüberzustellen, erweist sich als goldrichtig. Die Schwedin Rebecca Ferguson hat sich mit diesem Part wohl in die erste Liga katapultiert. Ihre Ilsa Faust ist kaltblütig und voller Eigensinn, sie versprüht nicht nur in gewagt geschnittenen Kleidern mondänen Charme, sondern versteht ihre Gegner auch mit durchtrainierten Beinen in die Klemme zu bringen.

Cruise und McQuarrie sind clever genug, auch Ethan Hunt mittels ihrer Person Grenzen aufzuzeigen. Sie gibt dem Überhelden, der tatsächlich einmal als das leibhaftige Schicksal bezeichnet wird, etwas von seiner Menschlichkeit zurück, indem sie ihn zu Fehlern treibt. Dass dabei nur begrenzt Erotik ins Spiel kommt, liegt mehr an Tom Cruise, dem Herausforderungen mit dem eigenen Körper eindeutig näher liegen. (Dominik Kamalzadeh, 4.8.2015)