Jina Khayyer

Älter als Jesus oder mein Leben als Frau

Orell-Füssli-Verlag 2015

19,50 Euro

Foto: Orell Füssli Verlag

Jina Khayyer hat eine spannende Biografie: Die Deutsche iranischer Herkunft studierte am Bauhaus in Dessau Malerei, besuchte die Deutsche Journalistenschule in München und jetsettete als Modejournalistin um die Welt, bis sie die Finanzkrise 2008 Job und Wohnung kostete. Ihr neues Buch "Älter als Jesus oder mein Leben als Frau" ist auch eine Abrechnung mit dieser Lebenskrise. Vordergründig geht es um Khayyers Kinderwunsch, den sie sich als geoutete Lesbe mittels einer Samenspende erfüllen will. Ob das gelingt, bleibt offen.

Tugend aus der Not

In sieben Teilen erzählt sie ihre Lebensgeschichte, die sie aus einer deutschen Kleinstadt über München, Berlin, New York, São Paulo bis nach Paris geführt hat. "Ich bin Journalistin geworden, weil ich Auslandskorrespondentin werden und über den Iran schreiben wollte. Dass ich über Mode schreibe, hat sich aus der Not ergeben", erklärt sie. "Ich habe weder einen intellektuellen noch einen akademischen Hintergrund: Die Männer in meiner Familie waren Teppichhändler, die Frauen – bildschöne Frauen – beschäftigt mit ihrer Maniküre." Ihre Mutter habe ihr auf den Weg gegeben: "Heirate reich – der Rest ergibt sich dann schon von selbst." Diesen Rat konnte und wollte sie nicht befolgen.

Schon als Teenager war ihr klar, dass sie Frauen liebte. Sie outete sich mutig – um den Preis des Zerwürfnisses mit einem Teil der Familie – und ging ihren eigenen Weg. Dieser liest sich einmal mehr, einmal weniger interessant, vorgetragen in einem Plauderton: "Leider ging es nie um Bildung oder Intellekt, dafür aber um Millionen. Ich habe als Kind so viel über Geld und Status gelernt; ich konnte mit drei Jahren einen Jaguar von einem Mercedes unterscheiden und wusste, alle anderen Autos sind unserer nicht würdig." Dies versucht Khayyer wettzumachen, indem sie fleißig Camus, Hesse oder Simone de Beauvoir zitiert.

Ausweglose Armut

Wo es um eigene Beschreibungen geht, scheinen ihr manchmal die Worte zu fehlen. Ein Pudel ist bei ihr ebenso "abstrakt" wie das Gesicht einer Frau nach einer Schönheitsoperation in Teheran. Der Rechercheaufenthalt in ihrer Herzensheimat für das Magazin "Neon" – sie hat es also doch geschafft, sich ihren Wunsch zu erfüllen – liest sich noch am spannendsten: Sie porträtiert junge iranische Frauen und ihr Leben unter dem Regime. Dabei kommt Khayyer zugute, dass sie Farsi spricht.

Sie scheint sich in der "Mitte" ihres Lebens gut eingerichtet zu haben, wenn auch die wirklich fetten Zeiten vorüber sind. Nach Jobverlust und Steuerschuld von 58.000 Euro musste sie sich 2008 erst einmal daran gewöhnen, bei den Pariser Modeschauen nicht mit dem Chauffeur herumkutschiert zu werden, sondern zu Fuß durch den Regen zu stapfen – "als mir mein Leben entrissen wurde", schreibt sie darüber nicht unmelodramatisch.

Auch beschwert sie sich, dass sie zu einem Abendessen bei Picassos mit Metro und Regionalbahn anreisen musste – man stelle sich das einmal vor! Sie nennt das "ausweglose Armut" und beschließt, sich in Zukunft nicht mehr dafür zu schämen. Spätestens an dieser Stelle hätte ihr der Verlag mit einer Prise Realitätssinn zur Seite stehen können. Das Buch wirkt insgesamt schön aufgemacht, aber schlampig lektoriert. (Tanja Paar, 12.8.2015)