Nicholas Kirkwood gehört zu den wichtigsten Schuhdesignern der Welt.

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Schuhe von Nicholas Kirkwood sind ein Statement: Nicht selten ähneln sie extravaganten Skulpturen.

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STANDARD: Was würden Sie jemandem entgegnen, der Sie als Fußfetischist geißeln wollte?

Nicholas Kirkwood: Dass er falsch liegt. Einige Menschen glauben, weil ich als Mann für Frauen Schuhe entwerfe, muss ich eine Vorliebe für ihre Füße haben. Ehrlich, ich habe noch nie den geheimen Wunsch verspürt, nachts den Fuß von irgendjemandem zu liebkosen. Ich sehe Füße als etwas, was ich verzieren kann – so wie Schmuck eine Hand verschönert. Ein Fuß ist für mich eine Leinwand, um die herum ich entwerfe.

STANDARD: Angefangen haben Sie nach Ihrem Studium ausgerechnet bei einem Hutmacher – genau am entgegengesetzten Ende des Körpers.

Kirkwood: Für mich existierte dort dieselbe Formensprache, weil es sich in beiden Fällen um skulpturale Entwürfe handelte. Ein Hutmacher entwirft mit Garn eine Bekleidung für den Kopf, gar nicht so viel anders als der Vorgang, mit dem ich mich als Schuhdesigner herumschlage.

STANDARD: Sie betonen, dass Ihr Interesse für Architektur dem Designprozess hilft. Einen Schuh zu entwerfen ist wie ein Haus zu bauen?

Kirkwood: Ein Schuh ist zuallererst Produktdesign. Da spielen viele praktische Aspekte hinein. Er ist kein Kunstwerk, das für sich steht, keine rein visuelle Angelegenheit – er muss funktionieren. Diese Aspekte sind in der Architektur auch wichtig.

STANDARD: Waren Sie Ihr Leben lang ein Liebhaber von Schuhen?

Kirkwood: Nein, dieses Interesse begann in den späten Teenagerjahren, als ich mich stärker mit der Modewelt beschäftigte. Manolo Blahnik gefiel mir, er war der unbestrittene König des Schuhdesigns. Wenn er neue Stilettos entwarf, kopierten alle anderen seine Entwürfe.

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Modell "Cruise"
Foto: ap/willens

STANDARD: Als Sie begannen, Damenschuhe zu kreieren, mussten Sie bestimmt Lehrgeld zahlen. In welche Fallen sind Sie hineingetappt?

Kirkwood: Ein Anfängerfehler ist, dass man Schuhe überdesignt. Gerade wenn man, wie ich damals, frisch aus der Modeschule kommt, die Welt radikal verändern will, neigt man dazu. Ich wollte alles verwenden, was der Küchenschrank hergab.

STANDARD: Geben Sie uns ein Beispiel für Ihre Verspieltheit.

Kirkwood: Meine erste Kollektion hatte Absätze, die vom Bildhauer Anish Kapoor inspiriert waren. Da gab es verformtes Metall, darüber noch ein ausgefallenes Design und darauf noch einen ausgefeilten Druck. Ich hatte zehn verschiedene Schuhe in einem verarbeitet.

STANDARD: Wie beeinflusst die Frau, die Ihre Schuhe kauft, Ihre Kollektionen?

Kirkwood: Bevor ich mein Geschäft in London 2011 eröffnete, war mir nicht klar, wie wichtig ein mittelhoher Absatzschuh für Frauen ist. Nicht jede läuft gern in klassischen High Heels herum.

STANDARD: Wie verändert ein Absatzschuh die Silhouette?

Kirkwood: Die Waden werden gestrafft und erhalten eine auffälligere Form. Ich sage gern, High Heels betonen die richtigen Stellen einer Frau. Das einzige Bekleidungsstück, das meiner Meinung nach eine ähnliche Wirkung hat, ist das Korsett. Die Handtasche jedenfalls nicht und ein Kleid auch nicht – weil es nicht die Haltung des Körpers, der in so einem Kleid steckt, verändert, sondern nur die Form.

STANDARD: Haben Sie Ihre High Heels einmal anprobiert, um zu erleben, wie sich das anfühlt, mit den Schuhen zu gehen?

Kirkwood: Dafür habe ich sie nicht groß genug kreiert, sorry, ich trage Größe 43. In dieser Beziehung bräuchte ich definitiv noch ein wenig Praxiserfahrung, um elegant in ihnen zu gehen.

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Kirkwood mit Sängerin Rita Ora im Dezember 2013, nachdem er zum zweiten Mal nach 2010 bei den British Fashion Awards als "Accessory Designer of the Year" ausgezeichnet wurde.
Foto: reuters/Neil hall

STANDARD: Kaum ein anderer Trend hat das Schuhdesign in den vergangenen 15 Jahren stärker geprägt als der Aufstieg der Sneakers. Ist das irreversibel?

Kirkwood: Ich denke, der High-End-Sneaker für bis zu 500 Dollar wird nicht mehr aus den Geschäften verschwinden. Er ist jetzt bei den Menschen angekommen. Vielleicht wird er für eine Zeit weniger nachgefragt werden, aber hochwertige Designturnschuhe haben ihren festen Platz in den Kollektionen erhalten.

STANDARD: Sie entwerfen jetzt auch für Herren. Ist das schwieriger als für Damen?

Kirkwood: Es ist eine andere Herausforderung, weil es andere Sensibilitäten gibt – alles ist viel subtiler. Da geht es nicht darum, das Rad neu zu erfinden, sondern um Designexpertise. Männer wollen einen Slipper, einen Chelsea-Boot und so weiter, diese Kategorien muss ich respektieren. Ich kann mit den Farben oder den Proportionen spielen, mit der Sohle zum Beispiel.

STANDARD: Wohin geht der Trend: dünne oder dicke Sohlen?

Kirkwood: Auf Modeschauen sehe ich viele klobige Schuhe bei den Männern. Ich liebe auch die etwas dickeren Sohlen, die wir von Sportschuhen kennen. Aber funktionieren die am Abend, wenn jemand zu einer offiziellen Veranstaltung geht? Ich weiß nicht. Da sind doch hauchdünne Sohlen besser, die man kaum wahrnimmt.

STANDARD: Wie sieht es bei den Frauen aus: niedrige oder höhere Absätze?

Kirkwood: In den vergangenen Jahren gibt es klar einen Trend zu niedrigen Absätzen. Bis hin zu flachen Schuhen, die im Moment überall sehr prominent sind. (Ulf Lippitz, Rondo, 17.8.2015)