Wien – Es sei Zeit für eine Renaissance von Vor-Ort-Wassermessstationen, fordern Wissenschafter aus Nordamerika, Afrika, Japan, Russland und Österreich. Messstationen würden seit den 1990er-Jahren zugunsten von Satellitendaten vernachlässigt. Jene könnten sie wunderbar ergänzen, aber keinesfalls ersetzen, schreiben sie in der Fachzeitschrift "Science".

Zu den Messstationen zählen etwa Einrichtungen, die den Wasserstand zu ermitteln, Niederschlagsmessstellen und Verdunstungspfannen, mit denen man bestimmt, mit welcher Rate das Wasser eines Sees verdunstet, sagte Hans-Peter Nachtnebel von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien, Koautor des Artikels. "Mit ihnen kann man quasi kontinuierlich messen und hat in vielen Fällen über lange Zeiträume ziemlich homogene Datenreihen", so Nachtnebel.

In Österreich gäbe es etwa Stationen in Krems/Stein (Niederösterreich) und Federaun (Kärnten), die seit über hundert Jahren Abflusswerte für die Donau beziehungsweise Gail liefern. In Zeiten des Klimawandels seien diese Daten eine sehr wertvolle Referenz, wie sich die Gegebenheiten in der Vergangenheit verändert haben, so der Forscher.

Ergänzbar, nicht ersetzbar

"Fernerkundungsdaten gibt es aber erst seit ein paar Jahrzehnten. Außerdem entwickelt sich die Technologie dort so rasch, dass man Messungen von vor 20 Jahren kaum mehr mit heutigen Messungen vergleichen kann." Darüber hinaus seien solche Daten oft das Ergebnis komplizierter Berechnungen, die erst mit vor Ort gewonnenen Daten geeicht und kontrolliert werden können. Dafür würden die Satellitendaten wiederum einen sehr guten globalen Überblick ermöglichen.

"Es geht uns nicht um ein Entweder-Oder, aber wir wollen aufzeigen, dass Fernerkundungsdaten infolge mangelhafter zeitlicher und räumlicher Auflösung Vor-Ort-Daten sicher nicht ersetzen können", sagt Nachtnebel. Seit den 1990er Jahren würden die Daten aus lokalen Messungseinrichtungen international spärlicher. "Viele Experten haben wohl erwartet, dass man alles mit Satellitendaten abdecken kann." Außerdem stünden Vor-Ort-Daten aus vielen Ländern aufgrund politischer Veränderungen und Instabilitäten nicht mehr zur Verfügung.

Lücken in hochalpinen Lagen

Auch in Österreich stagniere die Messnetzdichte seit Jahren. "Vor allem oberhalb von 2.000 Metern Seehöhe findet man nicht viele Messstellen", berichtet der Hydrologe. Was sich dort hydrologisch-klimatisch abspielt, würde im ganzen Alpenraum nur mittels weniger Messstationen ausgewertet.

"Die Klimamodelle weisen aber darauf hin, dass gerade im Alpenraum verstärkt Veränderungen zu erwarten sind", so Nachtnebel. Es sei daher sinnvoll, das Messnetz vor allem in hochalpinen Lagen zu verdichten – auch wenn dies aufgrund der exponierten Lage nicht einfach sei.

Die Wissenschafter erhoffen sich außerdem, dass die Lücke zwischen lokalen Messungen und Satellitendaten durch technische Neuerungen geschlossen wird. Dazu könnten etwa autonom gesteuerte und durch Sonnenenergie angetriebene Drohnen verwendet werden, die als mobile Messstationen in der Luft, im Wasser und zu Land unterwegs sind. (APA, 15.8.2015)