Es war ein vielsagender Kontrast: Japans Kaiser Akihito, der sich laut Verfassung nicht politisch äußern darf, fand ungewöhnlich klare Worte zu Japans Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Regierungschef Shinzo Abe, von dem eindeutige Aussagen erwartet wurden, hatte sich zuvor hingegen kunstvoll gewunden. Zwar sprach auch er von "Reue", brachte diese aber nicht selbst zum Ausdruck, sondern verwies auf Aussagen von Vorgängern.

Dass es nach der Rede Abes Proteste aus China und Südkorea geben würde, war unabhängig vom Inhalt zu erwarten – beide Regierungen nutzen die berechtigte Kritik an Tokio auch zu ihrem eigenen populistischen Nutzen. Doch wenn Chinas staatliche Agentur Xinhua von "sprachlichen Tricks" schreibt und von Japan mehr Aufrichtigkeit fordert, dann trifft sie tatsächlich einen wunden Punkt.

Abe hat nur das Mindeste getan, um internationalen Erwartungen zu entsprechen. Ehrliche Reue sieht anders aus. Und sie ist von einen Premier auch kaum zu erwarten, dessen Regierung Kriegsverbrechen aus Schulbüchern streichen lässt und Medien Sprachregelungen zur Zwangsprostitution während der Kolonialzeit vorgeben will. Individuelle Japanerinnen und Japaner sollen sich nicht ewig entschuldigen müssen, hat Abe gefordert. Diesem Wunsch könnte man zustimmen. Aber nur, wenn das offizielle Japan, für das Abe verantwortlich ist, es schaffen würde, einen ehrlichen Umgang mit der Geschichte zu finden. (Manuel Escher, 16.8.2015)