Objektive Messungen als Illusion zu entlarven, das ist das Ziel von Rudolf Polanszkys "Der musikalische Affe III / Stück für Tiere".

Foto: Rudolf Polanszky

Krems/Donau – Anleitung zur fröhlichen Wissenschaft: Man markiere auf einem Stück Draht, das mit einem Zentimetermaß versehen ist, die Primzahlen. Sodann biege man den Draht zu einer Spirale und wachele mit dieser durch die Luft. Was stellt man fest? "Die Primzahlen verdichten sich und sind dann praktisch überall." So erklärt es der Künstler Rudolf Polanszky, der einen solchen Versuch im Rahmen seiner Arbeit Der musikalische Affe II / Gedächtnis und Musik machte und daraus auch eine höchst brisante Theorie gewann: "Das Gedächtnis ist eine Struktur, auf die man – selbst wenn Erinnerungen im Laufe der Zeit verlorengehen – jederzeit zurückgreifen kann."

Man muss kein Einstein sein, um zu erkennen, dass diese Beweisführung Lücken hat. Polanszky (geb. 1951) steht allerdings auch der 'Pataphysik näher, also einer parodistischen Form der Wissenschaft, die deren rationale Denkweisen ad absurdum führt. Die Beliebigkeit intellektueller Modelle und Interpretationsmuster nahm er auch mit Der musikalische Affe III / Stück für Tiere (2000) aufs Korn: Er projizierte DNS-Stränge auf Notenlinien, um die resultierenden Kompositionen einem Hund, einem Schwein und einem Affen vorzuspielen – unter der doch recht kühnen Annahme, die Tiere müssten doch irgendwie die DNS-basierte Musik wiedererkennen.

Diesem schönen Ansatz liegt ein ausgeprägter Zweifel an den Möglichkeiten des menschlichen Intellekts zugrunde. Eine "Chimäre" nennt Polanszky die Annahme, man könne die Welt durch Vernunft ganz in den Griff bekommen. Wenn Friedrich Nietzsche einmal schrieb, die eindrucksvollen, aber letztlich doch flüchtigen "Begriffsdome" des menschlichen Geistes seien auf fließendem Wasser gebaut, so gehört Polanszky zu jenen Skeptikern, die das Rauschen dieses Wassers auch unter dem inzwischen um Genetik oder Quantenphysik erweiterten "Begriffsdom" noch hören.

Mystik mit Fett und Alufolie

In Polanszkys Personale Translineare Strukturen in der Dominikanerkirche Krems macht die Serie Der musikalische Affe indes nur einen kleinen Teil aus. Dominiert wird der Kirchenraum von Arrangements aus Drahtknäueln, ramponierten Holzplatten oder aufgebogenem Blech – oder von grob gezimmerten Kästen aus trübem Plexiglas, in denen sich Schaumstoff stapelt: Gestaltungswille trifft Problemstoffsammelstelle. Angesichts von Kompositionen aus Alufolie, Fett, Federn fühlt man sich aber kurz an die Mystik von Joseph Beuys und die meist etwas unappetitlichen und schimmeligen Bilder eines Dieter Roth erinnert. Die kunstfernen Materialien setzen indes im Kirchenraum einen spannenden Kontrapunkt.

Spannend wird es, wenn man dann plötzlich wieder an den Humor erinnert wird, der bei Polanszky in der Luft liegt. Im Video Transaggregate Strukturen (2005) erklärt einem ein Affe die Kunst, oder besser gesagt: eine Affen-Bauchrednerpuppe. "Transaggregates", erfährt man von dieser, bedeute "ein über einen scheinbar stabilen Zustand hinausweisendes instabiles Konstrukt einer subjektiven Realität".

Bauchredner Polanszky hört dem Affen teils selbst gespannt zu, tätschelt ihm ab und zu den Kopf. Die Puppe ergeht sich in menschlichen Erkenntnismechanismen. Regelmäßigkeiten, Ordnung und Sinn will der Intellekt finden. Und dabei soll er gerade von Polanszkys sinnzersetzender Kunst über sich selbst hinaus, zu neuen Denkstrukturen hin geführt werden. Grob gesagt.

Systeme des Unsinns

So soll man sich hier etwa die sinnliche Vielfalt ertauchen, die sich auftut, wenn man die Kategorie "Sperrmüll" ad acta legt: schöne Wölbungen, Verfärbungen, Strukturen. Tatsächlich erzählen die späten Objekte Polanszkys aber auch vom (absurden) Versuch des Künstlers, jeden selbstgestifteten Sinn, jede selbstentwickelte Formensprache, sobald gefunden, auch schon wieder zu verwerfen. "Ad-hoc-Synthese" nennt er seine rasche, intuitive Arbeitsweise, bei der er sich strenge Regeln auferlegt: Keinesfalls dürfe man zurückgreifen auf das, was einem gefällt. Und alle äußeren Einflüsse sollen nach Möglichkeit ausgeklammert werden.

Fremdbestimmung zu vermeiden und sich seiner Autonomie zu vergewissern, darum ging es Polanszky auch schon in seinen frühen Sprungfedernzeichnungen (1983): Indem er auf einer riesigen, am Hintern montierten Feder durch den Raum hoppelnd malte, half er da dem Zufall auf die Sprünge. Treibende Kraft war damals wie heute das Bewusstsein, dass "Sinn immer auf einer Festlegung durch andere beruht". Schon als Kind habe er dieses feine Gespür für Fremdbestimmung gehabt, das er mitunter auch mit einer "Art Paranoia" vergleicht. Und tatsächlich muss man ja sagen: Die Gefahr, Sinn zu "machen", lauert immer und überall. (Roman Gerold, 19.8.2015)