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Ein provisorischer Schutz vor Regen in Traiskirchen.

Foto: APA/Schlager

Fremdenfeinde nutzen die Zustände zur Hetze.

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Geschenkte Sachen werden nicht gewürdigt, Flüchtlinge sind "undankbare Ratten": Auf Facebook kursieren seit Tagen Bilder von Müllhalden in Traiskirchen, auf denen viele Nutzer auch neuwertige Sachspenden erkennen wollen. Die Fotos sind für Fremdenfeinde ein willkommener Anlass, gegen Asylwerber zu hetzen. Doch auch bei vielen anderen Menschen, die grundsätzlich nicht negativ gegenüber Flüchtenden eingestellt sind, lösen die Aufnahmen Kopfschütteln und Verwunderung aus. Die Bilder vom Müll sind also ein probates Mittel, um eine negative Stimmung zu schüren. Ein Faktencheck zeigt allerdings, dass es viele verständliche Gründe für die Übermüllung gibt.

Massiv überfordert

Ein großes Problem ist – wie in vielen anderen Bereichen – die massive Überbelegung des Erstaufnahmelagers. 1.820 Asylwerber haben maximal Platz, momentan sind laut Innenministerium mit 3.600 fast doppelt so viele untergebracht. Vor dem Aufnahmestopp lebten bis zu 4.500 Menschen in dem Lager. Dafür ist die interne Infrastruktur nicht ausgelegt. Das macht sich auch beim Müll bemerkbar: Es gibt zu wenige Mülltonnen, sogar an den Müllsäcken hapert es. Daher quillt das Lager vor Unrat über – eine schreckliche Situation auch für die Asylwerber.

Liest man sich den Bericht von Amnesty International durch, wird klar, dass die Betreiberfirma ORS Service auch in anderen Bereichen komplett überfordert ist – so konnte nicht einmal eine Abdeckung montiert werden, die weibliche Flüchtlinge vor neugierigen Blicken beim Duschen schützt. Die Pressestelle von ORS war übrigens für keine Stellungnahme erreichbar, da die zuständige Person "bis Montag auf Terminen" ist.

Neue Initiative

Fakt ist aber, dass Müllhalden dort, wo viele Menschen zusammenkommen, keine Seltenheit sind. Beweis dafür sind etwa Fotos von Musikfestivals. Nach dem Novarock sprachen die Anrainer von einer "Katastrophe", nach dem letztjährigen Frequency fielen 270 Tonnen Müll an. Darauf weist beispielsweise Caritas-Pressesprecher Klaus Schwertner in einem Facebook-Beitrag hin.


Um die Müllsituation im Ort Traiskirchen in den Griff zu bekommen, hat Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) eine neue Initiative ins Leben gerufen: Asylwerber werden Behörden für ein geringes Entgelt bei der Reinigung der Stadtflächen unterstützen. Außerdem haben Helfer für Samstag eine Hilfsaktion ausgerufen, bei der sie gemeinsam mit Flüchtlingen im Lager aufräumen wollen. Dabei soll intakte Kleidung, die verdreckt ist, in extra gekennzeichneten Säcken gesammelt und von den Unterstützern daheim gewaschen werden.

Keine Möglichkeit zum Waschen

Denn das ist das nächste Problem, das sich in Traiskirchen ergibt: Flüchtlinge können ihr Hab und Gut oft nicht reinigen. Da sie im Freien schlafen müssen, wird die gespendete Kleidung nass und verdreckt. In vielen Fällen ist es nicht möglich, diese dann zu waschen und zu trocknen. Auch daher landet vieles im Müll, dasselbe gilt für Schlafsäcke. Die Flüchtlinge sind darüber laut Helfern vor Ort selbst verzweifelt. "Es ist nicht die Schuld der obdachlosen Flüchtlinge, die endlich ein Dach über dem Kopf bekommen müssen", sagt ein Helfer dem STANDARD. Vice hat beispielsweise die Geschichte hinter einem in Kärnten entstandenen Foto recherchiert, bei dem ebenfalls die fehlende Infrastruktur für Müll gesorgt hatte.

Fehlgeleitete Spenden

Ein weiteres, massives Problem sind unstrukturierte Spenden: Oft sammeln Privatpersonen in Eigeninitiative und fahren dann zum Zaun des Erstaufnahmelagers, um die Gegenstände selbst zu verteilen. Durch diese Dynamik kommt es aber zu ungewollten Konsequenzen: Einige Flüchtlinge erhalten Dinge, mit denen sie nichts anfangen können, andere erhalten für den Moment zu viel, um es zu konsumieren. Das Innenministerium rät daher, den Bedarf vorher bei Hilfsorganisationen vor Ort oder im Ministerium abzufragen und die Sachen zur Verteilung bei Helfern abzugeben. Denn oftmals wissen Asylwerber auch gar nicht, wie sie bestimmte Gegenstände benutzen sollen – beispielsweise Tampons, die dann unbenutzt im Müll landen. DER STANDARD hat Anlaufstellen zusammengefasst.

Beschädigte Produkte

Außerdem sind Spenden oft in einem derart abgenutzten Zustand, dass sie nach einer regnerischen Nacht selbst kaputt sind. Das kann aber auch für neuwertige Produkte gelten, etwa wenn die Verpackung von Hygieneprodukten leicht beschädigt ist: Dann saugen Windeln sich etwa mit Regenwasser voll und können nicht mehr benutzt werden. Fakt ist jedenfalls, dass Bilder von Müllhalden in Traiskirchen nur ein weiterer Beleg für die von Hilfsorganisationen scharf kritisierten Zustände in dem Flüchtlingslager sind – und definitiv kein Beweis für "faule" oder "dreckige" Asylwerber. (Fabian Schmid, 20.8.2015)