Wien – Die Österreicher sind nach wie vor begeisterte Anhänger der Bildungskarenz. Zwischen Jänner und April 2015 (aktuellste Zahlen) gab es im Schnitt 9732 Bezieher, wie dem STANDARD vorliegende Zahlen des Arbeitsmarktservice (AMS) zeigen. Damit hat man wieder fast die Spitzenwerte von Anfang 2013 erreicht, als es etwas mehr als 10.000 Bezieher gab.

Keine große Hürde

Wer mit seinem Arbeitgeber eine Bildungskarenz vereinbart, hat Anspruch auf Weiterbildungsgeld, das gleich hoch wie das Arbeitslosengeld ist. Unumstritten war diese Förderschiene nie. Immer wieder gab es Fälle, wo Arbeitnehmer einfach an der Uni inskribierten, ohne tatsächlich Kurse zu besuchen. Anfang 2013 wurde daher das Gesetz nachgeschärft: Nun muss man zumindest die Teilnahme an Kursen belegen können (bei Studenten sind es vier Semesterstunden bzw. acht ECTS-Punkte).

Eine große Hürde ist das freilich nicht, schließlich kontrolliert das AMS in der Regel nicht, ob die Kurse auch positiv absolviert wurden. Ausreichend ist es auch, wenn die Uni eine Bestätigung über einen "voraussichtlich zu erwartenden positiven Abschluss einer Diplomarbeit" ausstellt.

Immer mehr Nutzer

Mittlerweile ebenfalls stark genutzt wird die seit 2013 mögliche Bildungsteilzeit. Was damit gemeint ist: Der Mitarbeiter reduziert seine Arbeitsstunden (um 25 bis 50 Prozent) und beginnt im Gegenzug eine Fortbildungsmaßnahme. Dafür bekommt er vom Arbeitsmarktservice anteilsmäßig Weiterbildungsgeld.

Am Anfang nutzten nur relativ wenige Menschen die Bildungsteilzeit, im Jahresschnitt des Vorjahres waren es dann schon 2555 und heuer im April bereits 3740 Bezieher. Bildungsteilzeitgeld kann zwischen vier und 24 Monate bezogen werden. Voraussetzung ist auch hier eine Verein barung mit dem Arbeitgeber. Berechtigt sind nur Personen, die zumindest sechs Monate bei einer Firma beschäftigt waren.

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Früher wurde die Bildungskarenz gerne mit einem schönen Urlaub kombiniert. Ob das heute weniger oft passiert, ist unklar.
Foto: reuters/MARCO GARCIA

"Zu unspezifisch"

Ob die Bildungskarenz nach der Reform tatsächlich weniger missbrauchsanfällig ist, kann derzeit nicht wirklich beurteilt werden. Eine neue Evaluierung liegt bis jetzt nicht vor. Eine erste Studie des Instituts für Höhere Studien kam vor der Reform zu dem Schluss, dass die Maßnahme "sehr breit und unspezifisch" sei und "de facto Stipendienkosten von der öffentlichen Hand auf die Kassen der Arbeitslosenversicherung übergewälzt werden".

Kritisiert wurde auch, dass Personen ohne formale Abschlüsse "fast nicht vertreten" seien und die Bildungskarenz bei Älteren – eine ursprüngliche Zielgruppe – nicht gegriffen habe. Bei langen Auszeiten sei nicht auszuschließen, "dass diese unter rein beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Kriterien eher negative als positive Konsequenzen haben können".

In der Wirtschaftskammer, die die Bildungskarenz immer durchaus kritisch betrachtete, geht man davon aus, dass die Missbrauchsmöglichkeiten mittlerweile geringer seien. Arbeitsmarktexperte Martin Gleitsmann begrüßt vor allem, dass die Weiterbildung neben der Arbeit immer stärker in Anspruch genommen werde.

Er plädiert aber dafür, die Finanzierung über das Bildungsministerium und nicht über das AMS abzuwickeln. Die Kosten lagen im Vorjahr bei rund 110 Millionen Euro. Inklusive Sozialversicherung gehe es um 150 Millionen Euro, "das ist kein Klacks mehr", sagt Gleitsmann. Entlaste man das AMS, könne man die Lohnnebenkosten senken, argumentiert er. Im Sozialministerium sieht man derzeit aber keinen Handlungs bedarf. An weitere Reformen sei nicht gedacht, heißt es. (Günther Oswald, 22.8.2015)