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Til Schweiger ist einer von zahlreiche Prominenten, die sich für Flüchtlinge einsetzen und im Netz dafür Hasspostings ernten.

Foto: APA/EPA/JOERG CARSTENSEN

Die Situation zehntausender Flüchtlinge in Europa lässt derzeit wohl die wenigsten kalt. Neben privaten Organisationen gibt es zahlreiche Menschen, die nicht mehr zusehen wollen und sich privat für die Geflüchteten einsetzen. Wer von seinen Taten berichtet, wird mitunter aber selbst zum virtuell Gejagten.

"Möge es einen Shitstorm geben"

Joko Winterscheidt hat bei seinem Facebook-Posting bereits geahnt, was ihm blühen könnte. "Möge es einen Shitstorm gegen mich geben. Mir egal", schrieb der Fernsehmoderator Mitte August mit dem Aufruf, die Flüchtlingsorganisation MOAS zu unterstützen. Wim Wenders' Produktionsfirma hat darauf reagiert und verteilte vor einer Behörde in Berlin-Moabit mit einem Foodtruck Essen an Flüchtlinge. Unter Winterscheidts Aufruf finden sich mitunter dieselben Argumente, die auch Menschen hierzulande gegen die Unterstützung von Flüchtlingen posten: Man solle nicht Ausländern, sondern deutsche Obdachlose unterstützen, der Moderator sei ein Heuchler.

Der deutsche Musiker Heinz Rudolf Kunze hat dazu aufgerufen, für die Aktion "Musik hilft" Instrumente zu spenden, die nicht mehr gebraucht werden. Seiner Meinung nach würden Menschen in Not nicht nur Essen und Kleider benötigen. Anfeindungen hält er im dpa-Interview entgegen: "Wer sich bewegt, macht was falsch. Am besten bewegt man sich nicht und hält die Klappe. Dann kriegt man auch keinen Shitstorm. Aber sobald man etwas Gutes tut, weht von irgendwoher der Dreckwind. Das ist halt so. Damit muss man leben."

"Was brauche ich denn für eine PR?"

Besonders lautstark, mit vielen "!!!" und Emoticons macht Schauspieler Til Schweiger ("Tatort") seinem Ärger auf Facebook Luft. Er will in einer alten niedersächsischen Kaserne beim Bau eines "Vorzeige-Flüchtlingsheims" helfen. Vorwürfe, das sei Eigen-PR, wehrte er im ZDF-Interview ab. "Ich bin der erfolgreichste Filmemacher im Land. Was brauche ich denn für eine PR? Das ist so dumpf und stumpfsinnig, das zu sagen." Er sei auch mal froh, wenn er nicht in der Zeitung stehe. Rassistischen Kommentarschreibern richtete er auf Facebook aus: "Verpisst euch!"

Fernsehmoderatorin Anja Reschke machte sich in den "Tagesthemen" gegen fremdenfeindlichen Hass stark und bekam Lob, aber auch Beschimpfungen ab. "Da bin ich natürlich jetzt eine wunderbare Projektionsfläche für alle, die wütend sind, nicht klarkommen mit der Situation. Endlich haben sie eine Person, die sie angreifen können", sagte die Chefin des ARD-Politikmagazins "Panorama" dem "Tagesspiegel".

Aktiver Einsatz für Flüchtlinge

Zahlreiche Schauspieler wollen sich noch aktiver für Flüchtlinge einsetzen. So reist die deutsche Schauspielerin Natalia Wörner ("Die Säulen der Erde") für ein Projekt des Vereins Kindernothilfe nun in den Libanon zu syrischen Flüchtlingsfamilien: "Alle Anfeindungen und Beschimpfungen bei uns müssen aufhören. Wir müssen lernen, mit irrationalen Ängsten umzugehen." Ihre Kollegen Friederike Kempter ("Tatort") und Benno Fürmann ("Nordwand") engagieren sich bei der UN-Flüchtlingshilfe – wie Hollywoodstar Angelina Jolie. Fürmann sagt: "Flüchtlinge gehören zu uns." Sie bildeten eine Art Subkultur, von der man nichts mitkriege. Er will helfen, das zu ändern.

Die Ö3-Moderatorin Elke Lichtenegger hat einen geflüchteten Mann aus Syrien bei sich aufgenommen. Die Organisation "Flüchtlinge willkommen" hilft Privatpersonen, die genug Platz in ihrer Wohngemeinschaft zu Hause haben, den Kontakt zu geflüchteten Personen herzustellen. Auf Facebook gab es für Lichteneggers Engagement viel Lob, aber auch hetzende, untergriffige Bemerkungen gegen die Journalistin.

Regelmäßig bezieht auch "ZiB"-Moderator Armin Wolf auf seiner Facebook-Seite Stellung zum Thema Flüchtlinge und wurde dabei bereits Opfer einer Schmierattacke auf seinem Parkplatz und als "linke Ratte" beschimpft. Fans und Kritiker "warnt" er auf Facebook inzwischen mit "Betreten auf eigene Gefahr". Wolf hat über 210.000 Facebook-Fans und liest die unzähligen Kommentare aus Interesse und "weil ich nicht zulassen kann, dass auf meiner Seite Verleumdungen, Beschimpfungen o. ä. stehen." Seinen Beobachtungen zufolge sei das Aggressionslevel in der letzten Zeit gestiegen. "Ich bin oft wirklich perplex, wie viel Frust, Wut & Hass Menschen auf FB verbreiten – und gar nicht selten unter ihrem wirklichen Namen", schrieb er in einem längerem Eintrag.

Strafen

Wer online hetzt, riskiert in Österreich eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren. In den vergangenen Wochen kam es auch zu mehreren Entlassungen aufgrund von Hasspostings. In Deutschland wurde ein 34-jähriger Mann zu 4.800 Euro Strafe verurteilt, weil er zu Gewalt gegen Bewohner eines Flüchtlingsheims aufgerufen hatte. Die aktuellen Vorfälle zeigen, wie zahnlos Facebook – das bei Postings, auf denen Nackheit zu sehen ist, sofort blockiert – mitunter bei Hass und Gewalt agiert. Vor allem in geschlossenen Gruppen scheinen Nutzer schreiben zu können, was sie wollen. Das Unternehmen greift nicht ein. Anders ist das bei Reddit, wo man nun härter gegen Hass und beleidigende Inhalte vorgeht. (Birgit Riegler/APA/dpa, 23.8.2015)