Umweltlandesrat Rudi Anschober sieht die Konkurrenz in Pink gelassen und macht lieber der ÖVP eindeutige Angebote.

Werner Dedl

STANDARD: Die jüngsten grünen Wahlplakate mit dem Slogan "Giftkonzerne, behaltet euch den Gen-Scheiß" werden sehr kontrovers diskutiert. Verstehen Sie die Kritik an der derben Wortwahl?

Anschober: Das ist ganz einfach die Emotion, die bei vielen Menschen da ist. Es ist einfach eine unglaubliche Sauerei, die derzeit in der globalen Agrarwirtschaft passiert. Das Problem ist daher nicht die Wortwahl, sondern der Inhalt, um den es geht. Den wollten wir kantig und kämpferisch sichtbar machen.

STANDARD: Aber selbst innerhalb der Grünen wird das Plakat als problematischer Rückfall in aufmüpfige Oppositionstage gesehen. Sollte man als Regierungspartei nicht seriöser auftreten?

Anschober: Bitte, ich habe vorab eine Facebook-Umfrage gemacht und fast 97 Prozent Zustimmung für den "Gen-Scheiß" bekommen. Und den oberösterreichischen Grünen und vor allem mir selbst kann, glaube ich, niemand vorwerfen, nicht seriös zu sein. Wir sind sehr sach- und dialogorientiert. Aber in einem Wahlkampf muss man schon die Kanten und Bruchlinien zu anderen Parteien sichtbar machen.

STANDARD: Die Landtagswahl am 27. September dürfte, glaubt man den jüngsten Umfragen, ka g'mahde Wiesn für die Grünen sein. Sie müssen erneut um den Einzug in die Landesregierung bangen. Warum ist es nach zwölf Jahren Regierungsbeteiligung immer noch eine Zitterpartie?

Anschober: Das Thema Asyl überlagert derzeit jedes klassische Landesthema im Wahlkampf. Natürlich ist das Asylproblem auch ein Landesthema, aber oberösterreichische Anliegen lassen sich im Moment schwer platzieren. Aber der Wahlkampf hat gerade erst begonnen. Wir werden den kämpferischsten, den intensivsten Wahlkampf der grünen Geschichte führen. Und wir sind gut aufgestellt und können eine Reihe von Erfolgen vorweisen: im Antiatombereich, im Klimaschutz, in der Energiewende in Oberösterreich oder der Tatsache, dass wir mittlerweile über 49.000 Green Jobs in Oberösterreich haben ...

STANDARD: Wovon aber ein großer Teil sogenannte prekäre Arbeitsverhältnisse sind, oder?

Anschober: Nein, grüne Jobs gehen durch alle Gehaltsbereiche. Aber auch hier ist die Einführung eines generellen Mindestlohns in Österreich wichtig.

STANDARD: Schmerzt es, dass Sie mit den Neos ein Newcomer vom grünen Sessel stürzen könnte?

Anschober: Noch sitze ich sehr gut und sicher. Und das, was die Neos bislang vorgelegt haben, bringt mich keineswegs aus der Ruhe.

STANDARD: Landeshauptmann Josef Pühringer verweigert im Wahlkampf beharrlich eine Koalitionsansage. Hätten Sie ein schwarzes Zwinkern in Richtung Grüne erwartet?

Anschober: Man muss in Krisenzeiten, in denen es einen massiven Angriff der Freiheitlichen, der Rechten gibt, vor einem Wahltag Klarheit schaffen. Für uns ist klar: Wir wollen einen Regierungsauftrag für Schwarz-Grün. Und ich erwarte mir, dass auch die ÖVP klar Farbe bekennt. Die blauen Hetzer dürfen in Oberösterreich keine Koalitionsoption sein.

STANDARD: Die Diskussion über eine schwarz-blaue Koalition nach der Wahl hat indirekt auch mit Ihnen zu tun. Die Rufe nach einer Zusammenarbeit mit der FPÖ kommen aus jenem schwarzen Industriezweig, der sich bis heute mit einem grünen Umweltlandesrat nicht anfreunden kann. Ist es schwierig, als Grüner in einem Industriebundesland Fuß zu fassen?

Anschober: Wir arbeiten mit dem allergrößten Teil der Wirtschaft hervorragend zusammen. Das beste Beispiel ist die Voest – heute der sauberste Stahlkonzern der Welt. Und einer der erfolgreichsten Konzerne weltweit.

STANDARD: Die Grünen wollen erstmals 100.000 Stimmen erreichen, das wären rund zwölf, 13 Prozent – ist dieses Ziel nicht deutlich zu hoch gesteckt?

Anschober: Man muss sich hohe Ziele stecken. Den Wählern muss klar sein: Nur wenn Grün stark zulegt, wird das Erfolgsprojekt Schwarz-Grün fortgesetzt. Sonst kommt die schwarz-blaue Wende. Eine Partei, die hetzt, die die Gesellschaft spaltet, die ihr politisches Geschäft auf dem Rücken der Notleidenden macht, darf keine Koalitionsoption sein.

STANDARD: Sie werden gerne als konservativer Grüner gesehen. Ein Grund, warum die Zusammenarbeit mit der ÖVP funktioniert?

Anschober: Ich kann mit diesen Titulierungen gar nichts anfangen. Ich bin mit Leib und Seele ein grüner Politiker. Die grünen Werte sind meine Lebenswerte.

STANDARD: Sie sind seit den 1980er-Jahren politisch tätig. Inwiefern hat sich die Politik verändert?

Anschober: Es gibt eindeutig heute weniger Glaube daran, dass die Politik gestalten kann.

STANDARD: Setzten Sie deswegen, etwa mit Ihren öffentlichen Kochshows, auf eine Eventpolitik?

Anschober: Mit Theorie, Papier und Programm dringt man nur zu einem sehr überschaubaren Bereich der Bevölkerung vor. Es braucht Übersetzungen und Brücken, um für ein Thema Verständnis zu schaffen. Kochen und Essen ist so eine Brücke. Wenn Sie wollen, ist der Kochlöffel die Verbindung zum Wähler.

STANDARD: Die Politik hat aber auch Sie verändert und Ihnen vor zweieinhalb Jahren mit einem Burnout deutliche Grenzen aufgezeigt. Fühlen Sie sich heute fit?

Anschober: Ja, sonst würde ich hier nicht sitzen. Ich habe gelernt, wie ich meine Batterien wieder aufladen kann. In Summe hat mich das alles stärker gemacht. (Markus Rohrhofer, 28.8.2015)