Wenn ein Buch in den letzten Zügen liegt, liegen auch die Schreibenden in den letzten Zügen. Dieser Vorgang ist einer Geburt nicht unähnlich, aber mit weniger Überraschungen behaftet: Die Romanprotagonisten sind schon ans Herz gewachsen, ihr Geschlecht ist bekannt, und sie wiegen meistens über 3,5 Kilo. Mit den letzten Zügen ist auch nicht der Fernverkehr gemeint, im Gegenteil. Die meisten Bücher schrieb ich gerne reisend: die Landschaft, die an einem vorüberzieht, wie auch das nette Wagerl mit Kaffee und Schoki.

Wenn man sich zusätzlich inspirieren lassen möchte, nimmt man die Ohrstöpsel ab und zu raus und lauscht der unmittelbaren Umgebung. Da öffnet sich ein weites Land. Die Flüchtlinge sind oft an allem schuld, am Hagel des letzten Monats zwar nicht, aber sonst! Der Fahrstil des Zugführers raubt den letzten Nerv! "Der ruckelt so. Da ist gar kein Fahrfluss mehr gegeben." Fahrfluss gefällt mir als Wortschöpfung sehr, das kann man noch weiterverwenden, "Fahrfluss" klingt jedenfalls besser als "Flüchtlingsstrom".

Die diversen Schatzis mit ihren Freuden und Dramen sind nicht weiter auffällig, bei den Schatzis ist im Grunde seit Jahren alles gleich geblieben: Entweder sie betrügen oder sie heiraten oder sie trennen sich oder kochen sich was Feines, manchmal gehen sie ins Kino. "Mama, jetzt nicht" hat, seit ich im Fahrfluss schreibe, immer noch Hochsaison. Die Esoterikanhängerin, die jetzt so "open-minded" ist, hat sich "weitergechangt" – und zwar mit dem ganzen Impact! Sie ist überhaupt ganz erleuchtet, weshalb sie auch ihrer mitreisenden Freundin innerhalb von Minuten zum beleidigten Rückzug aufs Klo verhilft.

Man steigt aus mit reichhaltigem Potpourri für den nächsten Roman zwischen den entstöpselten Ohren. Dann betritt man den Verlag und erhält das korrigierte Manuskript mit dem beruhigenden Zusatz: "Alles durchgehend ändern." Nachdem sich die Panikattacke wieder gelegt hat, sieht man den Nachtrag: "Das betrifft nur die Topfenkolatschen." (Julya Rabinowich, 28.8.2015)