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Es gibt weiterhin doch nur ein verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr.

Foto: REUTERS/Kai Pfaffenbach

Wien – Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) hat sich mit den Ländern darauf geeinigt, jene Eltern, deren vierjährige Sprösslinge nicht in Betreuung sind, zu verpflichtenden Beratungsgesprächen zu laden. Ein zweites verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr kommt aber vorerst doch nicht. Dieser Weg sei "zielführender", meinte die Ministerin im APA-Interview. Die Beiträge sollen immerhin sinken.

Für Fünfjährige gilt bereits seit längerem Kindergartenpflicht, der Bund schießt den Ländern dafür jährlich 70 Mio. Euro zu. Im Zuge der Verlängerung dieser Vereinbarung wollte die Bundesregierung ihrem Arbeitsprogramm entsprechend eine Ausweitung auf die Vierjährigen vornehmen.

Karmasin legte denn auch vor ein paar Wochen einen Entwurf vor, der so eine Pflicht – mit einigen Schlupflöchern – auch für Vierjährige vorsah. Alle Studien zeigten: Je länger die Kinder im Kindergarten, desto besser die Schulleistung, argumentierte die Ministerin.

Individuelle Gespräche

In den vergangenen Monaten habe man "sehr konstruktiv und partnerschaftlich" an einer gemeinsamen Lösung gearbeitet, betonte Karmasin. Aus der Verpflichtung mit "Opt-out-Variante" wurde nun aber doch noch nichts: Stattdessen sollen in einem ersten Schritt jene rund 4.500 Vierjährige, die nicht im Kindergarten sind – das sind etwa sechs Prozent – mit ihren Eltern zur Beratung kommen müssen. Die Pädagogen sollen in individuellen Gesprächen versuchen, Barrieren abzubauen und einen Besuch empfehlen.

Dass ihr Entwurf damit entscheidend aufgelockert wurde, sieht die Ministerin nicht so: "Das Ziel bleibt das gleiche." Man könne ja mit einer Position in Gespräche gehen und "gute Ideen und Argumente aufgreifen". Außerdem verwies Karmasin auf eine im Gesetz vorgesehene Arbeitsgruppe mit den Ländern, wo man auch die Beratungsgespräche evaluieren werde.

Neues Ziel 2018

"Ich glaube es wird ausreichen, aber wenn dem nicht so ist, dann werden wir in der Arbeitsgruppe besprechen und diskutieren, dass wir dann ab 2018 den gratis verpflichtenden Kindergarten für die Vierjährigen umsetzen." Ein Ziel für die Evaluierung in Form einer bestimmten Betreuungsquote – bei den Fünfjährigen liegt sie bei 96 Prozent – wollte Karmasin nicht nennen. Und wenn sich gar nichts ändert? "Das ist zu wenig."

Ein zusätzlicher Anreiz sollte laut Entwurf eigentlich auch sein, dass für den halbtägigen Kindergartenbesuch der Vierjährigen nichts bezahlt werden muss – in der Steiermark, in Kärnten, Salzburg und Vorarlberg ist das nämlich noch nicht grundsätzlich gratis.

Auch das wurde allerdings bis 2018 verschoben. Der Bund hatte nämlich nicht mehr Geld als bisher geboten, mit dem Argument, dass man den eigentlich zuständigen Ländern im Kinderbetreuungsbereich ohnehin schon großzügig unter die Arme greife.

Erfreut zeigte sich die Ministerin, dass es ihr gelungen sei, den Finanzminister zu überzeugen, drei Mal 70 Mio. Euro freizugeben – das sei ein Jahr mehr als ursprünglich geplant. Mit der SPÖ habe man sich in den groben Zügen abgestimmt, versicherte Karmasin. Sie rechnet damit, die Vereinbarung innerhalb der nächsten zwei Wochen unter Dach und Fach bringen zu können. Mit den Ländern seien nur noch Details zu präzisieren. In Kraft treten soll der Vertrag rückwirkend mit 1. September.

Heinisch-Hosek verhalten

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek zeigte sich wenig begeistert. "Ich werde dieser Lösung nicht im Wege stehen, auch wenn es noch offene Punkte zu klären gibt", sagt sie zum STANDARD. "Der Vorschlag von Familienministerin Karmasin kommt dem was im Regierungsprogramm vereinbart wurde schon sehr nahe." Heinisch-Hosek lässt aber keinen Zweifel daran, dass ihr der Karmasin-Vorschlag zu wenig weit geht: "Der Kindergarten ist das Fundament, auf dem unsere Kinder ihre Zukunft aufbauen. Um allen Kindern unabhängig von der finanziellen und sozialen Situation ihrer Familie beste Bildungsmöglichkeiten und Startchancen in das spätere Leben zu bieten, steht die Sozialdemokratie aber nach wie vor hinter einem zweiten gratis Kindergartenjahr für alle", sagt Heinisch-Hosek.

Pühringers Argumente

Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer, derzeit auch Vorsitzender der landeshauptleutekonferenz, nennt im Gespräch mit dem STANDARD zwei Gründe, warum das zweite verpflichtende Kindergratenjahr doch nicht kommt, einen ideologischen, wie er sagt, und einen finanziellen. Man dürfe den Eltern nicht bis ins alle Details vorschreiben, was sie mit ihren Kindern zu tun hätten, sagt Prühringer. "Wir wollen den Menschen nicht ununterbrochen sagen, was sie zu machen machen." Es müsse ein gutes Angebot geben, die Entscheidung über den Kindergarten müsse aber bei den Eltern liegen.

Abgesehen davon sei das auch eine finanzielle Frage gewesen: Der Bund habe seine finanzielle Beteiligung am Gratiskindergartenjahr nicht entsprechend aufstocken wollen, das aber von den Ländern verlangt. Pühringer nennt Länder wie Kärnten oder die Steiermark, die sich das einfach nicht leisten hätten können. Pühringer: "Dem Bund muss klar sein, je mehr er in Landesagenden eingreift und den Ländern Vorschriften machen will, umso mehr muss er auch zahlen."

Väterbeteiligung erhöhen

Karmasin nimmt für eine andere Maßnahme Geld in die Hand: Damit sich Väter künftig stärker an der Kinderbetreuung beteiligen, winkt die Ministerin mit Barem: Die Kindergeldreform soll einen "Partnerschaftsbonus" für eine gleichmäßige Aufteilung in der Höhe von insgesamt 1.000 Euro bringen, kündigte Karmasin im APA-Interview an. Die Verhandlungen der Regierung über das neue Kindergeld befinden sich am Pfad zur Einigung.

In Sachen Partnerschaftsbonus ist man sich bereits "in den Grundzügen" einig, betonte Karmasin. Ihrer Vorstellung nach sollen Paare, die sich den Kindergeld-Bezug in einem Verhältnis von mindestens 60:40 aufteilen, einmal pro Person 500 Euro extra kassieren.

Derzeit nehmen Väter nicht viel mehr Kindergeld-Zeit in Anspruch, als notwendig ist, um den vollen Bezug ausschöpfen zu können. Eine gleichmäßige Aufteilung sie aber "zum Wohle aller", ist die Ministerin überzeugt. Auch die Väter könnten so eine ganz andere Beziehung zu ihren Kindern aufbauen.

"Nicht übers Ziel hinausschießen"

Auch abseits dieses Zuckerls hat die Regierung vor, die Väterbeteiligung zu erhöhen, war sich zuletzt aber nicht einig, in welcher Dimension. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) wollte den für Väter vorgesehenen Anteil von 17 auf 33 Prozent nahezu verdoppeln. Karmasin denkt eher an 20 bis 25 Prozent, sie wolle "nicht übers Ziel hinausschießen". Man rechne derzeit mehrere Varianten durch, gab sich Karmsin zuversichtlich für eine Lösung.

Mit der Reform will man aber auch Frauen anspornen, früher in den Beruf zurückzukehren. Jetzt gibt es vier Pauschalmodelle zwischen zwölf und 36 Monaten, wobei man in der kürzesten Variante letztlich insgesamt weniger Geld bekommt als in der längsten. Das sei "eine Lenkung in eine gewisse Richtung" und da man wisse, dass die Rückkehr für Frauen in den Beruf immer schwieriger werde, je länger man zuhause bleibe, "halte ich es nicht für den richtigen Weg, in die Richtung der Langvariante zu motivieren", betonte Karmasin.

Kritisierte Zuverdienstgrenzen werden nicht abgeschafft

Künftig soll es deshalb im Sinne der Wahlfreiheit ein Konto mit einer einheitlichen Summe geben, die man in einem gewissen Zeitraum konsumieren kann, der sich zwischen zwölf und ungefähr 35 Monaten bewegen dürfte, also etwas kürzer als bisher. Wie hoch der Betrag auf dem Kindergeld-Konto sein wird, steht laut der Ministerin noch nicht fest.

Mehr Geld als bisher bekommt Karmasin vom Finanzminister freilich nicht. Das einkommensabhängige Kindergeld bleibt übrigens bestehen. Die oft kritisierte Zuverdienstgrenze wird ebenfalls nicht abgeschafft.

Wann es nun zu einer endgültigen Einigung mit dem Koalitionspartner kommt, wollte Karmasin nicht einschätzen: "Je früher, desto lieber." Das Gesprächsklima sei aber gut. In Kraft treten sollen die Neuerungen Mitte 2016.

Verzögerung für eingetragene Partnerschaft

Verzögert hat sich zuletzt auch die Möglichkeit für homosexuelle Paare, die eingetragene Partnerschaft am Standesamt einzugehen. Die nötige Änderung des Personenstandgesetzes war eigentlich für das erste Quartal 2015 in Aussicht gestellt worden. Karmasin, die schon lange für den Verzicht des Verbots eintritt, ist sich aber sicher, dass es noch heuer fällt. Auf die Frage, ob die Gesetzesänderung denn so kompliziert sei oder ob es jemanden gebe, der politisch bremst, meinte die Ministerin nur: "Es ist kompliziert."

Industrie: "Große Chance vertan"

Die Industriellen-Vereinigung (IV) hat am Sonntag bedauert, dass es keine Einigung auf ein zweites, verpflichtende Gratis-Kindergartenjahr für Vierjährige gibt. "Leider wurde eine wirklich große Chance vertan, gezielt genau dort anzusetzen, wo Bildungsinvestitionen am meisten bringen: nämlich in der Elementarbildung", meinte Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Aussendung.

"Investitionen in die frühkindliche Bildung rechnen sich x-fach, das ist klar belegt. Umso unverständlicher ist es, dass die von vielen Experten vorgeschlagene und im Regierungsprogramm verankerte Maßnahme nicht umgesetzt wird", bedauerte Neumayer. (APA, völ, 30.8.2015)