Wien – Was soll man seinen Mitstreitern in Kunst- und Kulturprojekten sagen? "Mach es doch bitte noch gratis-ser!" Sarkasmus ist eines der Ventile, über das sich der Unmut über die dramatische Prekarisierung in Wiens freier Szene Luft macht. "Eine andere Kulturpolitik ist nötig" heißt daher die Initiative der IG Kultur Wien in Allianz mit anderen IGs, Kulturinitiativen und Kulturschaffenden, die am Dienstag im Wuk ihren 15 Punkte umfassenden Forderungskatalog an die Kulturpolitik vorstellte.

Am lautesten war der Ruf nach Gesprächsbereitschaft – "Kommunikation wird vonseiten der Stadt schlicht verweigert" -, nach Wertschätzung, angemessenen Förderhöhen und transparenten Förderstrukturen. Fortuna aus chinesischen Glückskeksen, die im Wuk als Give-away verteilt wurden, verheißt einen Lösungsschritt: öffentliche Jurysitzungen. Dass man vom Magistrat dazu aufgefordert werde, das eigene, bereits weit unter dem tatsächlichen Bedarf angesiedelte Förderansuchen um 85 Prozent zu kürzen, und dass man diesem "Zwang zur Selbstkastration" auch noch entspreche, sei ein Dilemma und raube einem die Würde, so Lorenz Seidler (esel.at). Obendrein wird so der tatsächliche Bedarf verschleiert, kritisiert auch Daniela Koweindl (IG Bildende Kunst).

Aufgabe der Kulturpolitik sei es, vielfältige, kritische Handlungsräume zu ermöglichen, und zwar jenseits kommerzieller Verwertungslogiken wie etwa Standortaufwertungen, jenseits von Event und Mainstream. Künstler Thomas Jelinek, einst Sprecher der IG Kultur Wien: "Wir sind in der letzten Phase vor der Machtübernahme der Konzernwirtschaft." Und die Politik? Die schaue hilflos zu. (kafe, 1.9.2015)