Es ist schwer zu glauben, dass die neue Welle der Repression gegen die Medien, die durch die Türkei rollt, Zufall ist oder doch eher die Fortsetzung der Unduldsamkeit gegen alle Andersdenkenden, wodurch die Kritik am Staatspräsidenten schnell als Amtsbeleidigung gerichtlich geahndet werden kann. Tayyip Erdoğan und sein Regierungschef Ahmet Davutoğlu bereiten den Boden für die Ausrufung des Notstands vor. Er muss nicht kommen, aber er kann.

Je näher die von Erdoğan gewünschte Neuwahl des Parlaments rückt, umso größer wird nun der Druck auf die Kritiker. Denn die Umfragen sind mäßig für die konservativ-islamische AKP. Erreicht sie ein zweites Mal nicht die Regierungsmehrheit, bestätigen die türkischen Wähler im November, was sie im Juni bereits entschieden, dann bricht die Partei zusammen. Und Erdoğan ist isoliert in seinem Präsidentenpalast. Das wird er nicht zulassen.

Die Verhaftung zweier britischer Journalisten im Südosten des Landes war nötig, damit sich die Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel zu den Vorgängen in der Türkei zu Wort meldet. Man hat es fast schon vergessen: Die Türkei ist ja Kandidat für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Kritik bügelt sie als ungehörig ab. Dafür lässt sie Nacht für Nacht nun Tausende von Flüchtlingen nach Europa ziehen. Viel zu lange ist die Türkei mit ihrem Flüchtlingsproblem allein gelassen worden.

Für den Unmut der eigenen Bevölkerung über zwei Millionen Syrer und Iraker hat die türkische Führung so ein Ventil gefunden. Gegen Zorn und Verzweiflung über den neuen Kurdenkrieg geht sie anders vor: Erdoğan und seine Gefolgsmänner geben der Minderheitenpartei HDP die Schuld dafür. Und Medien, die über Kritik am Krieg berichten, die aus dem Wahlvolk kommt, werden zum Schweigen gebracht.

Wenn alles nicht hilft: Die Keule mit dem Notstand liegt bereit. Dann werden die Wahlen eben rasch verschoben. (Markus Bernath, 1.9.2015)