Der KTM X-Bow (sprich: Cross-Bow) ist ein Rennwagen mit Straßenzulassung. Als GT gewährt ihm KTM ein paar Annehmlichkeiten wie eine Scheibe oder ein Sitzpolsterl in den Carbonschalen. Der X-Bow ist nicht leicht zu fahren, aber gerade das begeistert uns so.

Das ganz leise Winseln, das die Reifen von sich geben, wenn man an einer Kreuzung abbiegt, das ist wie seinerzeit ein Hakerl und ein Marienkäfer-Pickerl unter der Hausübung. Aufgabe bravourös gemeistert.

Doch bevor jetzt jemand fragt: Bitte warum macht der schon aus einer Kreuzung so ein Drama? Dem sei erklärt: Alles, was wir über Autos wissen, legen wir für die nächsten paar Zeilen auf die Seite. Denn der X-Bow hat mit einem normalen Auto nicht viel gemeinsam. Vier Räder vielleicht, einen Vierzylinder-Motor, eine Sechsgangschaltung und vielleicht die Windschutzscheibe. Die braucht man aber nur, damit man keinen Helm tragen muss, und bei Regen. Obwohl bei Regen hat man im KTM X-Bow eh ein anderes Problem, als nass zu werden. Traktion.

Foto: Guido Gluschitsch

Einsteigen ist ein Kletterakt, vor dem man am besten das Lenkrad rausnimmt. Der Sitz ist eine Carbonschale, die im komfortablen GT eh ein kleines Polsterl hat und gefühlt etwas tiefer als die Bodenplatte liegt. Der Gurt hält nicht nur die Hüfte, sondern den ganzen Oberkörper wie ein Schraubstock.

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Der X-Bow hat kein Radio, keine Klimaanlage, kein ESP oder ABS, keinen Bremskraft-Verstärker, keinen Lichtsensor. Dafür hat er einen Kosenamen. Kratz-Bow.

Foto: Guido Gluschitsch

Die phonetische Ähnlichkeit mit dem Namen und die Eigenheit, dass sich dieser Wagen am lebendigsten anfühlt, wenn das Heck leicht in Richtung Kurvenaußenseite versetzt ist, dürften da ausschlaggebend gewesen sein. So einfach ist das jetzt nicht mehr nachzuvollziehen, wie sich das im Gespräch ergeben hat, weil mit dem Reden im Kratz-Bow ist das so eine Sache. Meistens hört man sich nicht, obwohl man eh schon schreit. Das liegt zum einen am Lärm, den der Wagen macht, zum anderen daran, dass man sicher schlechter hört, wenn die anderen Organe das ganze Blut brauchen: Augen, Ärmel, Beine, Gesichtsbremse und Popometer.

Foto: Guido Gluschitsch

Kratz-Bow-Fahren ist ein Fest für die Sinne – und für Fahrtechniker. Denn wer nicht sauber fährt, bekommt vom X-Bow bald die Rechnung präsentiert. Die heißt im besten Fall, dass man ein Verkehrshindernis ist, weil man vor lauter Respekt und Angst extrem langsam fährt.

Foto: Guido Gluschitsch

Im schlimmsten Fall sitzt man am Ende der Kurve im Graben. Denn die 285 PS aus dem aufgemascherlten Turbo-Benziner von Audi haben leichtes Spiel mit dem nicht einmal 900-Kilogramm-Carbon-Auto. Und Anpressdruck gibt es nur, wenn man schnell ist.

Foto: Guido Gluschitsch

Lenkfehler enden meist böse, das Bremsen ohne jede Hilfe ist vor allem am Anfang ungewohnt, und ein ungewollter Drift wird nur allzu leicht ein herrlicher Dreher. Denn wenn der Motor im Heck einmal Schwung hat, baut man den mit Schreien allein nicht mehr ab. Und lang Zeit zum Nachdenken gibt es auch nicht.

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Es wäre eine Idee, wenn jeder Fahranfänger einmal halbwegs beherzt X-Bow fahren müsste. Wer das schafft, greift nie wieder ein Mobiltelefon während der Fahrt an oder fährt zu dicht auf. Aber wenn, wie in dem Fall, das Schulungsauto mehr als 110.000 Euro kostet, wird das wohl ein Traum für uns alle bleiben. (Guido Gluschitsch, 09.09.2015)

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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