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Steht der Baum an der Grundgrenze, so sind beide Nachbarn für ihn verantwortlich. Das birgt Konfliktpotenzial.

Foto: Federico Gambarini dpa/lnw

Die Erholung, die der eigene Garten verspricht, will sich oft nicht so recht einstellen. Denn kaum etwas birgt so viel Konfliktpotenzial im nachbarschaftlichen Miteinander: Im Frühjahr und Sommer ärgert sich der eine Nachbar beispielsweise über den Baum des anderen, der den eigenen Garten beschattet. In Spätsommer und Herbst verursachen dann Fallobst und Laub, das in Garten und Regenrinne des Nachbarn rieselt, böses Blut.

Rein rechtlich betrachtet kann alles, was auf Ästen hängt, die in das eigene Grundstück hineinragen, abgeerntet werden, stellt Gregor Zimmel, Rechtsexperte bei der All-in-one-Gebäudeverwaltung, klar. Zum Aufklauben von Fallobst kann der Baumbesitzer zudem genauso wenig gezwungen werden wie zum Entfernen des Laubes in Nachbars Garten. Wer sich daran stört, muss wohl oder übel selbst zum Rechen greifen.

An den Ästen, die auf das eigene Grundstück ragen, dürfen dafür laut Zimmel auch Hängematten und Schaukeln befestigt werden, solange dabei fachgerecht vorgegangen und die Pflanze geschont wird. Überragende Äste dürfen zudem abgeschnitten, Wurzeln entfernt werden. "Man hat da ein Selbsthilferecht und ist nicht vom Gutwillen des Nachbarn abhängig", sagt der Jurist. Wichtig sei aber, den Garten des Nachbarn nicht ohne dessen Wissen zu betreten.

Schäden an Fassade

Zimmel rät zudem dazu, "in engen Grenzen" vorzugehen. Der Baum dürfe nämlich nicht mutwillig so zugeschnitten werden, dass er eingeht. "Da kommt man aber in einen Grenzbereich hinein", warnt Zimmel.

Manche Rückschnitte seien nämlich gar nicht möglich, ohne dass der Baum Schaden nimmt. Die Kosten für die Entfernung sind zudem von demjenigen zu bezahlen, der sie entfernt – auch in diesem Fall kann der Nachbar nicht dazu gezwungen werden, selbst Hand anzulegen. Die Ausnahme: Wenn die rankenden Pflanzen Schäden, beispielsweise an der Fassade oder der Gartenmauer, verursachen.

Ein weiterer Streitpunkt: der von Nachbars Kirschbaum geworfene Schatten, der eine negative Immission darstellen kann. Eine tatsächliche Chance vor Gericht hat man aber laut Zimmel nur dann, wenn dieser Schatten das "ortsübliche Maß" überschreitet und die "ortsübliche Benutzung" des Grundstücks beeinträchtigt.

So sei zum Beispiel schon entschieden worden, dass so eine Beeinträchtigung dann vorliegt, wenn der Schatten zu einer Versumpfung oder einer Vermoosung auf der Liegenschaft führt. Auch wenn an einem hellen Sommertag im Haus künstliche Beleuchtung nötig sei oder die Solaranlage aufgrund fehlender Sonne unbrauchbar geworden ist, sei schon zugunsten des Klägers entschieden worden.

Nur dass der Baum optisch nicht gefällt – etwa weil er schon sehr alt und morsch ist – wird übrigens kein ausreichender Grund sein. "Gegen subjektives Geschmacksempfinden gibt es keinen Rechtsbehelf", stellt Zimmel klar. Und auch wenn ein Baum die Aussicht verstellt, wird es schwierig: "Da sind vorausgehende Umstände zu berücksichtigen", sagt Zimmel. Denn wenn der Baum schon da war, bevor das betroffene Haus gebaut wurde, stehen die Chancen schlecht.

Persönliches Gespräch

Noch mehr Konfliktpotenzial bergen Pflanzen, die direkt auf der Grundstücksgrenze stehen. In diesem Fall sind beide Eigentümer gleichermaßen für sie verantwortlich: "Man hat ein Problem, wenn ein Nachbar den Baum fällen will." Grundsätzlich empfiehlt Zimmel immer ein persönliches Gespräch. "Das führt am ehesten zur Konfliktlösung." Oft sei es dem Gegenüber nämlich gar nicht bewusst, dass die Handlung die Lebensqualität des anderen beeinträchtigt. "Und leider können von solchen Kleinigkeiten sehr große und ernsthafte Konflikte entstehen."

Im Fall des Falles gelte es außerdem, professionellen Rat einzuholen – und nicht auf Quellen im Internet zu vertrauen: "Denn da ist oft die Rede von nicht verallgemeinerbaren Einzelfällen." (zof, 29.10.2015)