Der Ortsteil Kalkstein von Innervillgraten: Hier soll der Bach abgeleitet werden – im Winter, wenn Strom gebraucht wird, führt er aber zu wenig Wasser.

Foto: Benjamin Schaller

Innsbruck/Wien – Innervillgraten gilt als eine der letzten unberührten hochalpinen Gemeinden – und wenn es nach dem Umweltdachverband (UWD) geht, dann soll das auch so bleiben.

Die Tiroler Politik sieht das anders: Nachdem etliche andere Wasserkraftprojekte – das größte davon war das Kraftwerk Dorfertal, das wegen der Errichtung des Nationalparks Hohe Tauern ad acta gelegt werden musste – gescheitert sind, sollte wenigstens in Innervillgraten ein Kleinwasserkraftwerk ein wenig Strom erzeugen.

"Mangelnde Verfahrensqualität"

Aber das seit acht Jahren verfolgte Projekt stößt auf hohe rechtliche Hürden: So hat der damalige Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) den positiven Wasserrechtsbescheid aus Innsbruck "wegen Verkennung der Rechtslage und mangelnder Verfahrensqualität" bereits vor drei Jahren aufgehoben.

Der wasserrechtliche Bescheid wurde inzwischen saniert (obwohl Umweltschützer auch dagegen kämpfen), doch ist inzwischen die für die Ausleitung des Wassers von Kalksteinbach und Stallerbach notwendige Rodung nicht mehr zulässig. Der Rodungsbescheid ist nämlich mit 31. Dezember des Vorjahres ausgelaufen.

Und damit ist auch der Naturschutzbescheid hinfällig.

Neues Verfahren notwendig

"Das Tiroler Naturschutzgesetz besagt: Wenn eine andere bundesrechtliche Regelung ausgelaufen ist, muss auch das Naturschutzverfahren neu durchgeführt werden. Das soll verhindern, dass etwa Rodungsbescheide 'auf Vorrat' gehortet werden", erklärt Gerhard Heilingbrunner vom Kuratorium Wald, der die Umweltschützer ehrenamtlich vertritt, mit Verweis auf ein ähnliches Verfahren um Mergelabbau, bei dem der Verwaltungsgerichtshof 2003 entsprechend erkannt hat.

Damit liegt die Sache bei der Tiroler Naturschutzlandesrätin Ingrid Felipe (Grüne). Heilingbrunner hat die Politikerin aufgefordert, den Kraftwerksbau zu stoppen. Tatsächlich ist an der Baustelle noch nicht viel mehr als ein Bauzaun errichtet worden.

Grundsatzfrage Aarhus-Konvention

Und während die Juristen darüber grübeln, ob das Naturschutzverfahren tatsächlich neuerlich durchgeführt werden muss, heben die Umweltschützer die Rechtsfragen auf eine grundsätzliche Ebene: Nachdem Felipes Referat Heilingbrunner per Bescheid mitgeteilt hat, dass die Umweltorganisationen keine Parteistellung im Verfahren haben (was das Tiroler Verwaltungsgericht ebenso sieht), hat sich dieser an den Verfassungsgerichtshof gewendet.

Dieser soll nun beim Europäischen Gerichtshof eine Vorabentscheidung erwirken, ob nicht der Ausschluss von Umweltorganisationen aus Behördenverfahren ein in der Aarhus-Konvention verankertes Grundrecht verletzt.

In der Sache ist das Kraftwerksprojekt der Gemeinde schon unter Berlakovich zerpflückt worden: Es sei für die Stromerzeugung nur von marginaler Bedeutung und überdies unwirtschaftlich. (Conrad Seidl, 9.9.2015)