Es nützt wenig, dass die Integration so vieler Asylanten allem Anschein nach wirtschaftlich machbar ist. Denn die Asylgegner sind so zahlreich, dass sie den gesamten Integrationsprozess aufhalten können, auch wenn sie durch Relativierung der Menschenrechte früher oder später unsere Demokratie ruinieren. Dass die Ablehnung der Muslime dort am stärksten ist, wo man am wenigsten mit ihnen zu tun hat, zeigt allerdings, dass es weniger um konkrete Nachteile als um diffuse Überfremdungsängste geht. Was wie fehlende Toleranz aussieht, ist viel mehr ein arg geschwächtes Selbstbewusstsein. Genauer gesagt: eine am Boden liegende kulturelle Identität. Diesen Globalisierungsverlierern muss man vermitteln, dass das Wesentliche ihrer Identität auch bei starkem Zuzug nahöstlicher Muslime erhalten bleibt.

Das Problem lässt sich am besten an einem Symbol festmachen – und das ist ganz eindeutig das Kopftuch, genauer gesagt der nah-östliche Hijab; also ein auch den Haaransatz der Frauen bedeckendes und um den Hals bis an die Kinnspitze reichendes Tuch. Im Gegensatz zu den locker getragenen kleinen Kopftüchern, wie sie mehr und mehr junge Iranerinnen tragen – und die man auch in Europa bewundert -, widerspricht dieser Hijab zutiefst der kulturellen Tradition Europas.

Kulturelle Interpretation

Kleidung ist auch öffentliche Aussage. Während eine hierzulande rechtlich und wirtschaftlich voll integrierte Muslimin mit ihrem Hijab "nur" ihre religiöse Identität ausdrücken will, kommt diese visuelle Botschaft bei der eingesessenen Bevölkerung ganz anders an: Ihr ist heute durchaus bewusst, dass man in Europa auch ohne Kopftuch eine gute Muslimin sein kann, weil der Hijab nicht einer zwingenden theologischen Interpretation des Korans folgt, sondern nur der kulturellen Interpretation in einer anderen Weltgegend.

Das Tragen dieses Tuches wird daher als kulturelle Integrationsverweigerung gedeutet – ganz unabhängig von den eigentlichen Motiven der Muslimin. Von diesem Verständnis ist es nicht weit zum Gefühl, von diesen Frauen (und ihren Familienoberhäuptern) bewusst hinters Licht geführt zu werden, weil sie zwar die rechtlichen und ökonomischen Vorteile ihrer neuen Heimat nutzen, die hiesige Kultur jedoch öffentlich als minderwertig ablehnen. Insoweit ist also die Sorge vor einer kulturellen Überfremdung sehr wohl nachvollziehbar.

Erstes politisches Gebot ist daher, der eingebürgerten muslimischen Bevölkerung den Zusammenhang zwischen dem Hijab und der Ablehnung weiterer muslimischer Zuwanderung in weiten Teilen der Bevölkerung zu verdeutlichen. Etwas überspitzte: Jeder Hijab erhöht die Barrieren gegen asylsuchende Glaubensgenossen. Wollen das die hiesigen Kopftuchträgerinnen?

Zweites Gebot ist eine positive Betreuung der bereits ansässigen Musliminnen. Dazu gehören nicht nur spezielle Bildungsangebote – einschließlich der europäischen Interpretation der Bekleidungsvorschriften im Koran -, sondern auch die materielle Belohnung der Frauen, die den Hijab ablegen. So könnten unter dem Titel der Förderung der traditionellen örtlichen Kultur einige nicht religiös definierte Zielgruppen finanzielle Zuschüsse bekommen, wenn sie sich zu einem traditionell ortsüblichen Dresscode bekennen. Besonders wirksam wäre das etwa bei allen jungen Müttern. Das sollte tunlichst auf Gemeindeebene erfolgen, auch sollten sich da neben privaten Sponsoren die Bundesländer einbringen – etwa durch Zuschüsse zur Mindestsicherung.

Ortsüblicher Dresscode

Drittens wäre schon angesichts der allgemeinen kulturellen Nivellierung, wie sie besonders durch die Globalisierung geschieht, der Schutz der jeweiligen gewachsenen Kultur auch an Arbeitsplätzen mit Publikumsverkehr zu schützen, und zwar durch einen schon im Anstellungsvertrag vereinbarten Dresscode.

Und schließlich müssen auch die vielen Menschen angesprochen werden, die sich um die kulturelle Überfremdung ihrer Heimat Sorgen machen. Zwei Argumentationsschienen bieten sich dafür an: zum einen das Eingeständnis, dass bei der Integration der ersten Gastarbeitergenerationen schwere Fehler gemacht wurden, die sich nicht mehr wiederholen werden; so wurden ausreichende Deutschkenntnisse für die Einbürgerung erst 1999 verlangt! Zum anderen ist der soziale Hintergrund der heutigen Asylwerber aus Nahost wesentlich höher als der der seinerzeitigen Gastarbeiter, man darf daher von ihnen wesentlich mehr kulturelle Integrationsbereitschaft erwarten.

Unter dem Strich wird man bei uns sicher noch lange Hijab-Trägerinnen im Straßenbild sehen, bei Umsetzung dieser Politik besteht aber gute Hoffnung, dass ihre Schar – von Touristinnen abgesehen – immer kleiner wird. Und je mehr die europäische Interpretation des Islam sich auch in der Kleidung durchsetzt, desto mehr wird der Eindruck der Überfremdung schwinden – trotz offenen Asyls. (Michael Breisky, 8.9.2015)