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Am 24. März 1989 lief der unter US-amerikanischer Flagge fahrende Tanker Exxon Valdez auf das Bligh-Riff im Prinz-William-Sund, Alaska auf – damals die größte Ölkatastrophe der amerikanischen Geschichte.

Foto: John Gaps III/AP

Seattle/Wien – In der Nacht des 24. März 1989 lief der US-amerikanische Öltanker Exxon Valdez auf das Bligh-Riff im Prinz-William-Sund in Alaska auf und löste dadurch eine der größten Umweltkatastrophen der Seefahrtsgeschichte aus. Tausende Tonnen Rohöl liefen aus und verseuchten Meer und über 2000 km Küste, den Lebensraum unzähliger Tierarten. Bestände von Fischotter, Königskrabbe und Garnele haben sich bis heute nur langsam oder gar nicht erholt.

Totalkollaps der Fischerei vier Jahre später

Besonders schmerzhaft für die lokale Bevölkerung: auch die Laichgründe der kommerziell wichtigsten Fischarten der Region, des pazifischen Herings (Clupea pallasi) und des Buckellachses (Oncorhynchus gorbuscha), waren betroffen. Larven von Heringen, die einige Zeit nach dem Unglück gesammelt wurden, waren sichtlich missgebildet und Embryos der Buckellachse wiesen erhöhte Sterblichkeitsraten auf. Trotz der akuten Auswirkungen auf das Ökosystem dauerte es noch weitere vier Jahre, bis der Heringsbestand schließlich gänzlich kollabierte. Wie genau die Ölkatastrophe und der spätere Kollaps der Heringspopulation zusammenhingen, wurde niemals exakt analysiert und wird bis heute kontrovers diskutiert – eine aktuelle Studie liefert nun neue Erkenntnisse dazu.

Neue Untersuchung der Langzeitfolgen

Während heute erwiesen ist, dass die in Erdöl enthaltenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK oder PAHs, von engl. Polycyclic Aromatic Hydrocarbons) die normale Entwicklung einer Vielzahl von Fischarten stören können, gibt es über deren Langzeitauswirkungen auf Fischbestände noch wenig Informationen. Eine nun in der Online-Fachzeitschrift "Scientific Reports" publizierte Studie widmete sich genau dieser Frage. Die Forscher um John P. Incardona des National Marine Fisheries Service (NOAA) in Seattle untersuchten die Herzanatomie, das Herzgewebe und die Schwimmleistung von Heringen und Lachsen, die in einer frühen Phase ihrer Embryonalentwicklung mit Erdöl verschiedener Konzentrationen kontaminiert worden waren und danach acht bis neun Monate in klarem Meerwasser gehalten worden waren.

Öl in geringsten Konzentrationen verursacht Schäden

Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass bereits niedrige Konzentrationen von Erdöl ausreichen, um permanente strukturelle und funktionelle Änderungen am Fischherzen hervorzurufen. Während frühere Studien Rohölkonzentrationen ab einem Millionstel Gramm pro Liter berücksichtigten, konnten die Forscher hier nachweisen, dass bereits wesentlich niedrigere Konzentrationen Schäden verursachen. Die Forscher zeichneten außerdem verminderte Schwimmgeschwindigkeiten auf: Ein Beweis, dass die Kontamination mit Rohöl zu verringerter Leistung von Herz und Kiemenapparat in späteren Lebensabschnitten führt. Die Gesamtheit dieser Folgeschäden führte den Forschern zufolge zu einer starken Schwächung der Heringe und letztlich zum totalen Kollaps der Population.

Diese Grafik zeigt verringerte Schwimmgeschwindigkeiten von Heringen und Lachsen, gemessen Monate nach der Kontamination mit Erdöl.
Foto: NOAA Fisheries/NWFSC

Die Experimente zeigten zudem, dass auch äußerlich völlig gesund wirkende Fische gravierende Herzschäden aufweisen können. Die Wissenschafter schließen daraus, dass die Auswirkungen der Exxon-Valdez-Ölkatastrophe auf Fische mit küstennahen Laichgebieten früher drastisch unterschätzt wurden. Dies betrifft sowohl die Reichweite der Auswirkungen, sowie die andauernde Toxizität des in geringen Konzentrationen noch bis heute im Ökosystem vorhandenen Öls.

Konsequenzen für die Zukunft

Die Studie der NOAA macht deutlich, wie wichtig es ist, auch die physiologischen Langzeitwirkungen der im Erdöl enthaltenen Schadstoffe zu untersuchen. Menschen und Tiere leiden bis heute unter den Auswirkungen des Tankerunglücks der Exxon Valdez. Damals waren 37.000 Tonnen Rohöl in das Meer und an die Küsten Alaskas geflossen. Durch die Explosion und den Untergang der Ölplattform Deepwater Horizon im Jahr 2010 sind Schätzungen zufolge eine halbe bis eine Million Tonnen Öl in den Golf von Mexico gelangt. Im Jahr 2015 wird auch vor Alaska wieder nach Öl gebohrt. (Renate Degen, 14.09.2015)