Im Postamt arbeitet zwar Renata am Schalter, aber die Post bringt den ständigen und den zeitweiligen Bewohnern von Sutivan Pere auf seinem Moped. Früher, etwa drei Generationen von Zustellern vor Pere, holt jeder die Post vom Postamt selbst ab. Und die Gassen von Sutivan tragen keine Namen.

Poste restante

Eine Woche bevor wir im Mai von Beograd nach Sutivan aufbrechen, um dort bis zum Oktober zu bleiben, packt Großvater Djuro die "schweren Sachen" – das sind warme Mäntel, Pullover, dicke Socken und feste Schuhe – zu zwei großen Paketen. Die bringt er dann zur Post und schickt sie nach Sutivan. Wir reisen mit der Bahn und den "leichten Sachen".

Einmal packt Opa sogar mein rotes Tretauto aus Blech in ein Paket. Auf das dicke Packpapier schreibt er seinen Namen und die Postleitzahl von Sutivan. Einige Tage nach unserer Ankunft sind die Pakete auf dem Postamt angelangt, und Opa holt sie mit seinem Klapprad ab.

Der Postmeister von Sutivan ist eine Respektsperson. Man nennt ihn Barba Tomo, obwohl "barba" Onkel bedeutet und er nicht jedermanns echter Onkel ist. Barba Tomo ist direkt aus dem Tabloid des k. u. k Postmeisters in Maghrebinien entsprungen. Sein schon weißer Bart ist immer gepflegt, im Sommer trägt er Panamahut und leichtes Tropenleinen. Im Winter Anzug, Masche und einen langen Mantel. Wenn das Schiff aus Split wegen der starken Bura nicht festmachen kann, zieht Barba Tomo sein Ölzeug an. Darin sieht er aus wie ein Hafenkapitän. Er hält sich am Leuchtturm fest, während ein Matrose den Postsack auf die Mole wirft. Meist gelingt dieses Manöver.

Steckverbindung zur Welt

In der Post ist auch eine kleine Telefonzentrale und eine Kabine. Mirjana, die Tochter von Barba Tomo, bedient die Steckverbindungen der Zentrale, deren Gehäuse aus Nussholz ist. Im Sommer wollen viele nach Hause telefonieren, im Winter ist das Postamt nur zweimal in der Woche offen. Die übrigen Wochentage ist Sutivan telefonisch von der Außenwelt abgeschnitten.

Aus dem Gehäuse der Zentrale ragt eine Wählscheibe. Hier wählt Mirjana die Nummern, und wenn die Verbindung steht, ruft sie: "Beograd 602494!" Man geht dann in die Kabine und hebt den schweren Hörer aus Bakelit ab, am anderen Ende der Leitung ist dann Onkel, Tante oder die Oma aus Beograd. Anschließend kassiert Mirjana die Telefongebühr. Und steckt die nächste Verbindung ein.

Die Hummel bringt die Post

Dass der zufällige Anblick einer Hummel bedeutet, dass es bald Post gibt, ist ein Spruch, den mir mein Opa oft sagt. Deswegen nenne ich den ersten Postzusteller von Sutivan so. Wie er heißt, weiß ich bis heute nicht. Hummel bringt uns die Briefe zuerst zu Fuß, dann auf seinem Klapprad und einige Jahre später auf einem klapprigen Moped. Unsere Pakete muss Opa Djuro immer noch selbst abholen.

Irgendwann will Hummel nicht mehr als Zusteller arbeiten. Eine Weile arbeitet er im Supermarkt, dann kurz als Gemüseverkäufer auf dem Marktstand seiner Cousine. Und dann gar nicht mehr. Heute lebt Hummel mit seiner Cousine. Die im Supermarkt arbeitet. Manchmal sehe ich ihn morgens in der Café-Bar Marina. Bei Espresso und Pelinkovac.

Der Zusteller, der nach der Hummel die Briefe bringt, bleibt für mich ein Gespenst. In diesen Jahren bin ich zu sehr damit beschäftigt, tagsüber zu schlafen und nachts, nach der Disco, betrunken und nackt mit einer Schar anderer betrunkener, nackter Adoleszenten ins Meer zu springen.

Little Ketschkemet

So heißt nun inoffiziell die Gasse, die den Hügel des hl. Vinzenz Ferrer fast bis zu seiner Kapelle unter den Pinien am Kamm des Hügels führt. Nur wenige Meter von diesem einst stillen Ort surren heute dutzende Klimaanlagen auf Apartments zu beiden Seiten der Gasse. Fast alle Häuser gehören Ungarn oder werden von Ungarn im Sommer gemietet. Als man im Gemeindeamt berät, welchen Namen diese Gasse bekommen soll, schlägt Mate, der Chronist, halb im Scherz und halb im Ernst vor, man solle die Gasse Put Kečkemeta nennen. Aber man einigt sich, der Gasse den Namen des Ban Josip Jelačić zu geben, dessen großes Verdienst die Kartäscherung der bürgerlichen Revolution für Kaiser, Reich und Gott in der Banschaft Kroatien im 19. Jahrhundert ist.

Heute haben alle Gassen von Sutivan Namen. Sogar die enge, sich windende Wehrgasse im Herzen Sutivans, wo zwei Menschen nur im Krebsgang aneinander vorbeikommen, bekommt einen Namen. Er lautet Tisna Kala, was so viel heißt wie enge Gasse.

Doch das macht Pere, dem aktuellen Postzusteller, die Arbeit nicht leichter. Fast niemand hat einen Postkasten oder Namensschilder an den Türen der Wohnungen in den Apartments. Besondere Schwierigkeiten macht Pere der unaussprechliche Klang der ungarischen Familiennamen. Die Namen aller Stivanjani, die hier immer leben, kennt er auswendig. Auch die Namen der meisten, die wie ich nur im Sommer hier leben, weiß Pere zu nennen. Doch die ungarische Sprache ist für Pere unerschließbar.

Als er vorgestern bei mir ein Glas Wasser trinkt, verspreche ich ihm, einen großen Postkasten an mein Tor zu schrauben. Meinen Namen muss ich nicht auf den Postkasten schreiben. Pere weiß, wie ich heiße.

Die Auswanderer

Nicht nur Büttel der k. u. k Monarchie kommen bei der Namensverteilung zu Ehren. Man vergisst nicht, dass viele Familien von den Italienern und den Deutschen im Zweiten Weltkrieg in schwarzes Tuch gehüllt werden. Die Promenade im Hafen heißt "Straße der Opfer des Faschismus".

Ungewollte Ironie entsteht bei der Namensgebung einer Gasse, die aus dem Tal der Bucht von Majakovac den Hügel des hl. Rochus hinaufführt. Die meisten Häuser in dieser Gasse gehören vor dem Kroatienkrieg Serben, die hier den Sommer verbringen. Heute heißt sie "Gasse der Auswanderer von Sutivan". (Bogumil Balkansky, 11.9.2015)