Als einzige große Religionsgemeinschaft verbietet die römisch-katholische Kirche die Scheidung – und hat sich damit in einer Welt, in der so viele Ehen zerbrechen, gewaltige Probleme eingehandelt. Für Gläubige, die eine zweite Ehe eingehen, sind die Unmöglichkeit einer kirchlichen Hochzeit und der Ausschluss von der Kommunion ein großer Schmerz. Und das Festhalten an der Unauflösbarkeit der Ehe trägt zu einer generellen Entfremdung von Kirche und Kirchenvolk bei.

Nun kann selbst der Papst diesen Glaubensgrundsatz nicht einfach umstoßen. Aber mit Bauernschläue ist es Franziskus gelungen, eine riesige Bresche in diese Mauer zu schlagen. Die Annullierung der Ehe, von der derzeit vor allem Aristokraten Gebrauch machen, soll per Verwaltungsdekret allgemein zugänglich werden; ein schnelles Verfahren ohne hohe Kosten für alle, die glaubhaft machen können, dass der Bund fürs Leben ein Fehler war. Es ist eine administrative Reform, die aber die Kirche grundlegend verändern kann – eine geschickte Vorgangsweise, an der sich auch Politiker ein Beispiel nehmen können.

Ein weiteres Leiden der Kirche ist der Priestermangel, zu dem der Zölibat entscheidend beiträgt. Vielleicht gelingt es Franziskus, auch diese folgenschwere Tradition durch einen Kunstgriff aufzuweichen, ohne damit die Konservativen in der Kirche völlig zu verprellen. Tausende Priester und noch viel mehr Gläubige würden es ihm danken. (Eric Frey, 9.9.2015)