Abseits der Flüchtlingskrise beschäftigt ein anderes Ausländerthema schon lange Politiker, Gerichte und öffentliche Meinung: Haben EU-Bürger in anderen Mitgliedstaaten Anspruch auf Sozialleistungen, selbst wenn sie nicht arbeiten, oder darf man "Sozialtouristen" Zahlungen verweigern, die Inländern zustehen?

In einer Grundsatzentscheidung bezüglich eines deutschen Hartz-IV-Falls hat der Europäische Gerichtshof die Frage recht klar beantwortet: Erst wer durchgehend länger als ein Jahr in einem anderen EU-Land arbeitet, ist den dortigen Bürgern gleichgestellt. Kurzzeitjobs allein berechtigen nicht zum Bezug von Sozialhilfe. Aber ein Staat darf auch arbeitslose EU-Ausländer nicht ausweisen, solange sie glaubwürdig Arbeit suchen.

Der EuGH stellt mit dieser Auslegung klar, dass die Freizügigkeit in der Union zwar ein Recht auf Arbeit einräumt, nicht aber auf ein Leben auf Staatskosten. Allerdings bleibt die Schwelle, um Sozialleistungen zu erhalten, relativ niedrig. Der Vorwurf sozialer Härte geht ins Leere.

Politisch brisanter ist der zweite Teil des Urteils: Die Ausweisung arbeitsloser EU-Ausländer ist Kernstück der Reformpläne des britischen Premiers David Cameron im Vorfeld seines EU-Referendums. Dem haben die Richter nun einen Riegel vorgeschoben. Die Briten werden über die EU abstimmen müssen, wie sie ist – mit allen Rechten, die ihren 500 Millionen Bürgern überall zustehen. (Eric Frey, 15.9.2015)