Schön geschaut hat die zwölfköpfige Gästeschar, als sie vergangenen Montag im Tresorraum des Wiener Bank Austria Kunstforums Platz nahm. Die Blicke richteten sich einerseits auf das, was das Designer-Duo "chmara.rosinke" an neuem Geschirr und Gläsern ausbaldowerte und andererseits darauf , was der 3-Hauben-Koch Harald Irka von den Saziani Stub‘ n auf diesen anrichtete.

Dass seine Kreationen zu den Entwürfen des in Wien beheimateten polnischen Duos, bestehend aus Ania Rosinke und Macij Chmara passen würden, war bereits beim ersten Gang glasklar. Drei kleine, leicht wabbelige Pyramiden, eine gelb, eine grün und eine dunkelrot. Doch dazu später.

Foto: Michael Hausenblas

Die Entwürfe, die "chmara.rosinke" während eines Jahres erarbeiteten, basieren auf dem so genannten "Nespresso Design Scholarship", das im vergangen Jahr gemeinsam mit der Vienna Design Week ausgeschrieben wurde und welches das Duo abstauben konnte. Dotiert ist die Geschichte mit 15.000 Euro, den Vorsitz der Jury hatte der in Paris lebende Designer Robert Stadler. Vergeben wurde diese Art Stipendium zum zweiten und vorerst letzten Mal.

Macij Chmara, Ania Rosinke (chmara.rosinke) und Harald Irka. (v.l.) im Tresorraum des Bank Austria Kunstforums.
Foto: Nespresso

Kampf dem weißen Teller

Zu ihren Gefäßen, Tellern, Bestecken, aber auch zu zwölf Sesseln und einem Tisch inspirierten Rosinke und Chmara, die sich in ihren experimentellen Entwürfen immer wieder mit kulinarischen Themen beschäftigten, Filippo Tommaso Marinettis Manifest zur futuristischen Küche aus dem Jahre 1930. Zur Erinnerung: Für die Futuristen, die sich schon früh mit der faschistischen Bewegung Mussolinis verbündeten, stand auch in Sachen Essen ganz anderes im Vordergrund. Es sollte unter anderem ähnlich einem Opernbesuch die Sinne anregen.

Pasta konnten sie nicht leiden, denn diese empfanden sie für die Geschwindigkeit und die Dynamik des modernen Lebens als viel zu schwer und wurde als Lähmung für das Volk verdammt. Statt einem Teller Makkaroni verlangte man unter anderem nach "unentgeltlich vom Staat verteilte Nahrungsmittelchemie, in Pulver- oder Pillenform, die eiweißartige Stoffe, synthetische Fette und Vitamine enthalten". Langfristig spintisierte man sogar von "Ernährungswellen, die über das Radio zu verbreiten sein." Gegen "Alaska-Lachs in Sonnenstrahlen mit Mars-Sauce" hatte man nichts einzuwenden.

Doch zurück zum Tisch im Tresor und zu "chmara.rosinke". Ihre wohlgeformten Objekte aus Metall, Holz, Kunststoff aus dem 3-D-Drucker, Porzellan und Glas waren für alle Gäste eine Überraschung und der eine oder andere Blick an der Tafel war ein durchaus fragender. Allerdings weniger aus Ratlosigkeit, sondern mehr aus Neugier. Irka stimmte sich bestens in das Experiment ein und zu dritt zauberten die Designer und der Koch einen außerordentlich ungewöhnlichen Abend bei dem das Kochen mit formalen Gegebenheiten im Vordergrund stand.

Neue ungewöhnliche Geschirr-Entwürfe von chmara.rosinke.
Foto: Nespresso

Nun aber ans Eingemachte: Man wusste nicht immer genau, was einem da im Rahmen des dreigängigen Menüs samt Amuse Bouche auf dem Gaumen zerging, aber die Überraschung war eine Gelungene. Der Menüplan sah fesch aus, wie der ganze Rest, rein die Auflistung mutete etwas wirr an. Das machte die Sache aber nicht weniger spannend. Auf der Karte zu lesen waren Dinge wie Schwarznessel, Kerbel, Wachtelei, dann Niere, Malzcookies, Artischockenlikör und Oliven, ebenso Reinanke, Süßkartoffel, Flusskrebs, Limettenasche und Wildschwein, kurz: echtes Wimmelbuch für den Gaumen.

Foto: Nespresso

Dass die Häppchen schwimmen mussten, war auch klar. In großartigen Glasentwürfen kredenzt wurden Mixgetränke aus Honigwein, Pernod und Soda oder vergorener Wassermelonensaft, Creme de Cassis und Saft von unreifen Weinbeeren. Wenn die Zukunft so schmeckt, kann sie kommen. Aber nur wenn das Gestern auch bleiben darf – für den Fall, dass der Hunger der eines Bären ist. (Michael Hausenblas, 17. 9. 2015)

Foto: Nespresso