Bild nicht mehr verfügbar.

Heuer kam es überall in Europa zu extremer Dürre, auch beim Mais. Die heurigen Ernteschäden in Österreich liegen laut Hagelversicherung bei 150 Millionen Euro.

Foto: APA/Pfarrhofer

STANDARD: Angesichts der Hitze im Sommer und der Auswirkungen auf die Landwirtschaft: Sollte man die Hagelversicherung nicht in Dürreversicherung umbenennen?

Weinberger: Das ist eine berechtigte Frage, weil wir mittlerweile aufgrund des Klimawandels über Hagel hinaus eine ganze Reihe von anderen Elementarrisiken versichern – wie eben Dürre, aber auch Hochwasser, Stürme, Verwehungen, Frost etc.: Insgesamt sind es zehn andere Risiken. Wir haben damit die umfassendste Produktpalette Europas.

STANDARD: Es war heuer extrem heiß und trocken, man sieht das noch immer an den Feldern. Kann man mit diesem Versicherungsportfolio die Risiken managen?

Weinberger: Grundsätzlich gibt es weltweit einen Trend von der reinen Hagelversicherung in der Landwirtschaft hin zur umfassenden Ernteversicherung, da die Landwirtschaft wie kein anderer Sektor der Volkswirtschaft von den zunehmenden Wetterextremen betroffen ist. Sehr fortschrittlich sind in dem Zusammenhang die USA und Kanada, die neben den Naturkatastrophenrisiken mittlerweile auch Preisschwankungen versichern. Auch China und Russland bieten mittlerweile auf PPP (Private Public Partnerships, Anm.) basierende Ernteversicherungssysteme an. In China übernimmt dabei der Staat 80 Prozent der Prämie. In den USA sind es 65 Prozent. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass jede Volkswirtschaft eine möglichst hohe Eigenversorgung bei Lebensmitteln haben muss, und das setzt einen stabilen Agrarsektor voraus – gerade auch deswegen, weil die Landwirtschaft immer mehr Menschen versorgen muss. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf 9,5 Milliarden Menschen anwachsen, das sind also 30 Prozent mehr als jetzt. Und diese können nur durch eine intakte Landwirtschaft ernährt werden.

STANDARD: Gerade wegen des Klimawandels ist diese stabile Agrarversorgung häufiger in Gefahr.

Weinberger: Ja. Man sprach in der Vergangenheit bei Dürre oder Hochwasser immer wieder von den sogenannten Jahrhundertereignissen, aber das sind mittlerweile Drei- bis Vierjahresereignisse geworden. Das stellt die Welt und natürlich besonders die Landwirtschaft vor völlig neue Herausforderungen.

STANDARD: Und für die Agrarversicherer gibt es mehr Risiko. Wie sichert man sich ab?

Weinberger: Das ist der Grund, warum es agrarpolitisch zu umfassenden Risikomanagementinstrumenten, wie es Ernteversicherungen ja sind, kommt. Mittlerweile sieht man, dass es überall dort, wo agrarische Produktion stattfindet, Ernteversicherungssysteme auf PPP-Basis gibt. So wie in Österreich auch, bei den Risiken Hagel und Frost.

STANDARD: Private Public Partnerships, das heißt: Der Landwirt zahlt die Prämie mit?

Weinberger: Genau. In den USA etwa bezahlt der Bauer nur 35 Prozent, aber mit der Folge, dass der Staat im Schadensfall nichts mehr zahlen muss. Das ist die Konsequenz daraus: Der Landwirt wird am Risiko beteiligt. Das kommt à la longue den Staat günstiger, weil er eben im Schadensfall nichts mehr entschädigen muss. Und wir haben natürlich bei den Agrarversicherungen Schadenshäufigkeiten und Schadensvolumina, die extreme Schadenszahlungen erforderlich machen. Das ist nicht vergleichbar mit einer Versicherung, wenn irgendwo mal ein Haus abbrennt. Gibt es Dürre, dann ist die großflächig und umfasst ganze Landstriche. Das haben wir heuer erlebt. Die Dürre trat aber nicht nur in Österreich auf, sondern praktisch überall in Europa. Auch die USA waren betroffen, das heißt das ist kein nationales, es ist ein weltweites Problem.

STANDARD: Die Schadensvolumina sind also steigend. Wird das irgendwann nicht mehr versicherbar?

Weinberger: Die internationale Vereinigung der Agrarversicherer beschäftigt sich schon lange mit der Tatsache, dass es immer häufiger zu Großschadensereignissen kommt. Eine Antwort ist, dass das Angebot ausgeweitet wird. Mittlerweile sind weltweit 40 Prozent der Flächen umfassend versichert. Wir streben eine höhere Durchversicherungsrate an, denn das ergibt einen besseren Risikoausgleich und ermöglicht damit langfristig trotz Zunahme der Schäden stabile Prämien.

STANDARD: Und in Österreich?

Weinberger: Das gilt auch für uns. Wir waren vor 15 Jahren das erste private Unternehmen, das die Dürre versicherbar gemacht hat. Und wir haben heuer eine sogenannte Indexversicherung für Grünland auf den Markt gebracht, bei der wir keine Schadenserhebungen vor Ort mehr machen müssen. Beim Hagel wird eine Schadensbegutachtung Feldstück für Feldstück durchgeführt. Das geht bei der Dürre langfristig nicht – da sind große Flächen betroffen. Deshalb geht man weltweit in Richtung Indexversicherung.

STANDARD: Wie hat man sich Indexversicherungen vorzustellen?

Weinberger: Man definiert die Kritierien nach Daten, die in unserem Fall die ZAMG, die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, liefert. Da haben wir ja in Österreich eine sehr gute Datenquelle. Ab einem gewissen Grad des Niederschlagsdefizits wird eine Entschädigung ausbezahlt.

STANDARD: Wie hoch ist die Versicherungsdurchdringung in Österreich eigentlich?

Weinberger: Es sind rund 85 Prozent der Ackerflächen gegen Hagel und 60 Prozent gegen Dürre und andere Risiken versichert. Beim Risiko Dürre im Grünland, das ja neu ist, sind es fünf Prozent. Das Ziel ist jedenfalls, mehr zu versichern, um einen besseren Risikoausgleich zu bekommen. Schließlich gibt es in Jahren, in denen Dürre ist, meistens kein Hochwasser.

STANDARD: Sie sind als Versicherer auch nach Osteuropa gegangen – etwa nach Tschechien, in die Slowakei und nach Slowenien.

Weinberger: Ja, das war ein notwendiger Schritt – auch im Sinne der Risikoverbreiterung, und es hat sich auch bewährt. Schließlich wird in Österreich täglich ein Bauernhof verbaut, in Form von Straßen, Parkplätzen, Einkaufszentren. Da fällt für uns natürlich die mögliche Geschäftsgrundlage weg. Durch das Wachstum in Osteuropa wird ein besserer Risikoausgleich erreicht. (Johanna Ruzicka, 21.9.2015)