Der Plattwurm Macrostomum lignano besitzt – neben seiner erstaunlichen Renerationsfähigkeit – ungewöhnliche Klebeorgane an seinem Schwanzende.

Foto: Developmental Biology Interactive

Innsbruck/Wien – Wenn es um Regenerationsfähigkeiten geht, sind Plattwürmer im Tierreich unerreicht. Selbst aus einem kleinen Stück der Würmer kann wieder ein vollständiges Exemplar heranwachsen. Wie die Spezies Macrostomum lignano dieses erstaunliche Kunststück vollbringen kann, haben Wissenschafter bereits vor einigen Jahren geklärt. Nun ist es britischen und US-Forschern gemeinsam mit Peter Ladurner (Uni Innsbruck) und Lukas Schärer (Uni Basel) gelungen, das Genom des Tiers zu entschlüsseln. Sie erhoffen sich davon nicht nur neue Erkenntnisse über Stammzellen, sondern sehen in ihren Ergebnissen auch einen Weg zu innovativen Klebstoffen.

Ladurner und seine Kollegen haben den Plattwurm 1996 in Lignano (Italien) entdeckt und 2005 als neue Art beschrieben. Der Zoologe fand heraus, dass die rund einen Millimeter großen Würmer an bestimmten Stellen ihres Körpers lebenslang eine große Anzahl totipotenter Stammzellen besitzen und sich lebenslang auf dieses Ersatzteilreservoir verlassen können. Totipotente Stammzellen können sich in alle Zelltypen eines Organismus entwickeln, selbst zu Keimzellen. So kann sich aus einem nur 1.500 Zellen inklusive 50 Stammzellen umfassenden Wurmstück ein ganzes Tier regenerieren.

Vielseitiger Modellorganismus

Nicht zuletzt aufgrund dieser besonderen Fähigkeit hat sich Macrostomum lignano in den vergangenen zehn Jahren als hervorragender Modellorganismus etabliert, und zwar für Forschungen an Themen wie Stammzellen, Alternsforschung, Regeneration und Evolution. Ladurner geht davon aus, dass die Art durch die vollständige Sequenzierung des Genoms weiter an Attraktivität als Modellorganismus gewonnen hat.

Nachdem der Forscher in den vergangenen Jahren wesentliche Vorarbeiten zur Entschlüsselung des Genom geleistet hat, beschäftigt er sich in einem aktuellen Beitrag im Fachjournal "PNAS" mit einer weiteren besonderen Fähigkeit der kleinen Plattwürmer. Diese leben zwischen den Sandkörner an der Grenze zwischen Wasser und Strand. Damit sie nicht fortgespült werden und sich in alle Richtungen bewegen können, müssen sie sich verankern. Das tun sie nicht mechanisch, sondern chemisch: sie kleben sich mit dem Schwanz an Sandkörner. "Das besondere daran ist, dass sie sich mehrmals pro Sekunde ankleben und diese Verbindung wieder lösen", sagte Ladurner.

Dieses Festkleben und Lösen kennt man auch von anderen Tieren, Ladurner hat etwa erst im Vorjahr beschrieben, wie sich Seesterne mit ihren Füßchen unter Wasser an Oberflächen anhaften und wieder ablösen können. Bei den Seesternen und allen anderen Organismen erfolgt dieser Prozess allerdings viel langsamer als bei den Plattwürmern.

Neuartige Klebstoffe

Die Würmer besitzen in der Schwanzplatte hufeisenförmig rund 130 Klebeorgane. Diese bestehen jeweils aus drei Zellen: Eine Zelle, die den Klebstoff absondert und eine, die einen Lösestoff produziert, beide sind jeweils von einer modifizierten Hautzelle umschlossen. Weil die Mengen der Stoffe, die von den Klebe- und Loslösezellen abgeschieden werden, äußerst gering sind und erst seit kurzem mit Hilfe von Massenspektroskopie analysiert werden können, setzt Ladurner auf die Analyse jener Gene des Plattwurms, die ausschließlich in seiner Schwanzplatte aktiv sind.

Sie haben mittlerweile eine Liste von 400 Genen erstellt, die weiter untersucht werden. Das nun entschlüsselte Genom ist für diese Analysen von besonderer Bedeutung. Möglicherweise könnten so einmal von der Natur abgeschaute Klebstoffe entwickelt werden, die etwa für den medizinischen Bereich interessant wären. (APA/red, 3.10.2015)