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Heinz-Christian Strache, FP-Obmann, stellt Dringliche im Nationalrat.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat am Donnerstag bei der Beantwortung der "Dringlichen" der FPÖ zum Asyl-Thema die Notwendigkeit von "breiter Solidarität" in Europa betont. Seinen Dank richtete er an alle ehrenamtlichen Helfer und Spender. Wortmeldungen der FPÖ, bei den Flüchtlingen würde es sich hauptsächlich um Wirtschaftsflüchtlinge handeln, bezeichnete er als "pauschale Abqualifizierung".

Auf die Frage der FPÖ nach der Haltung der Regierung zu einer Einrichtung einer "Festung Europa" ging Faymann nicht direkt ein. Er verwies darauf, dass das Europa, "an das wir glauben", ein "Europa der Aufklärung, ein Europa der unteilbaren Menschenrechte, des Kampfes gegen Vorurteile, der religiösen Toleranz, der allgemeinen Menschenrechte und des Gemeinwohls" sei.

Der Bundeskanzler betonte, Europa sei in einer "sehr schwierigen Situation, das darf niemand abstreiten". Er verwies auf den EU-Gipfel vom Mittwoch, wo man eine "intensive Diskussion" geführt habe, wie man bessere Möglichkeiten schaffen könne, als sie zur Stunde vorhanden sind. Faymann betonte, dass es nicht möglich sei, dass Österreich, Deutschland, Schweden, die Niederland und Finnland das Asylrecht für ganz Europa oder darüber hinaus alleine wahrnehmen. "Asylrecht braucht breite Solidarität."

Bereitschaft in Österreich spürbar

Daher sei die Schaffung von Quartieren, aber auch die politische Bereitschaft, Menschen zu helfen, eine Voraussetzung. "Ich weiß, dass diese Bereitschaft in Österreich spürbar ist, sie ist stärker als jeder Hass." Der SPÖ-Chef bedankte sich ausdrücklich bei all jenen Österreichern, die bei der Bewältigung der Flüchtlingsbewegungen geholfen haben – "den vielen Ehrenamtlichen und all jenen, die gespendet haben".

Seinen Dank richtete Faymann auch an die Behörden: Er wisse, dass diese angehalten seien, bei der Sicherung der Grenzen bzw. den Kontrollen der Flüchtlinge den Auftrag haben, verhältnismäßig zu handeln. Den Vorwurf der FPÖ, dass in den vergangenen Wochen tausende Menschen ohne Kontrollen ins Land gelassen wurden, wies Faymann mit Verweis auf diesen Auftrag zurück. "Es muss das gelindestes Mittel zum Einsatz kommen", sagte der Kanzler. Bei den Grenzkontrollen gehe es vor allem darum, Schlepper zu bekämpfen.

Auch räumte der Regierungschef ein, dass unter den derzeit nach Europa kommenden Flüchtlingen auch Menschen seien, die kein Recht auf Asyl haben. "Aber pauschal Menschen abzuqualifizieren heißt, ihnen das Recht auf Menschenwürde, auf Asyl, zu verneinen", sagte er in Richtung FPÖ. Es müsse möglich sein, das Recht auf Asyl durch ein faires Verfahren wahrzunehmen.

Ein klares Nein gab es von Faymann einmal mehr für Bestrebungen, Grenzzäune aufzustellen: "All jene, die glauben, man kann die Frage von Asyl dadurch lösen, indem man sich mit einem Zaun einkreist und hofft, dass es dem Nachbarn schlecht geht (...), der ist am falschen Weg." Es sei nur eine gemeinsame Lösung möglich. Einmal mehr betonte der SP-Chef die Notwendigkeit der Einrichtung von "Hotspots" an den EU-Außengrenzen, um Flüchtlinge zu registrieren.

"Ernstes wichtiges Problem"

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte zuvor die Dringliche Anfrage seiner Fraktion damit begründet, dass es sich bei den Flüchtlings-Bewegungen um ein "ernstes und wichtiges Problem" handeln würde, dass Österreich – "wenn man weiter so unverantwortlich fortfährt" -noch länger beschäftigen werde.

Er ortete eine "gröblichstes Versagen auf unterschiedlichen Ebenen". Denn es habe nicht nur die EU versagt, sondern auch die Bundesregierung, "die es nicht geschafft hat, nach dem Scheitern von Schengen Verantwortung zu übernehmen". Denn nachdem die Schengen-Grenzen versagt hätten, hätte Österreich seine Außengrenzen sichern müssen – "das ist bis heute nicht der Fall". Man erlebe derzeit eine "neue Völkerwanderung – wer das abstreitet, der lügt sich selbst in die eigene Tasche".

Einmal mehr betonte Strache, dass er die nach Europa strömenden Menschen nur unter Anführungszeichen als Flüchtlinge bezeichnen wolle, denn es seien sicher nicht alle davon Flüchtling im Sinn der Genfer Konvention. Man könne davon ausgehen, "dass bis zu 80 Prozent der Menschen aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen", meinte Strache.

Angesprochen wurde von ihm auch das am Mittwoch bekannt gewordene Papier des Innenministeriums, in welchem vor einer "Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit" und der "Außerkraftsetzung gesetzlicher Strukturen" gewarnt wird. Angesichts dieses Versagens sei es "an der Zeit, zurückzutreten", sagte er in Richtung Regierungsbank.

Und es sei nicht unmoralisch und zynisch zu fragen, was die Betreuung der Flüchtlinge koste, sagte Strache. Selbiges gelte auch für die Frage, was die Aufnahme der Flüchtlinge für das heimische Sozial-, Gesundheits- oder Schulsystem bedeute oder zu fragen, wer die Verantwortung übernimmt, "dass nicht Terroristen und Fundamentalisten in unser Land geschleppt worden sind", so der FP-Chef.

Heftige Auseinandersetzung

FP-Generalsekretär Herbert Kickl wurde gleich mehrmals von Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) unterbrochen und zu einer angemessenen Wortwahl gemahnt. Sein Parteichef Heinz Christian Strache warf Bures daraufhin parteiliche Vorsitzführung vor.

Kickl mokierte sich gleich Eingangs über die Grüne Spendenbox: Eine "penetrante Form von Mildtätigkeit" sei das. "Wenn du Almosen gibst, lass es also nicht vor dir herposaunen, wie es die Heuchler tun", so Kickl in Anlehnung an den Evangelisten Matthäus.

Dem Bundeskanzler riet Kickl, den Applaus seiner "Claqueure" im Parlament zu genießen, "weil draußen vor der Tür schaut's eh schon anders aus". Er hofft auf gute Wahlergebnisse für die FPÖ in Oberösterreich und Wien, kritisierte die "Gehirnwäsche" durch die Medien in der Flüchtlingscausa und brachte einen Misstrauensantrag gegen die Regierung ein. Denn die Regierungsbank sei ein "Hotspot des Verrats an den Interessen der eigenen Bevölkerung".

Empörung über grüne Spendenaktion

Von Bures wurde Kickl mehrmals unterbrochen und zu einer angemessenen Wortwahl gemahnt. Sein Klubchef Strache empörte sich daraufhin, dass Bures "parteipolitisch" agiere. Denn die Grüne Spendenaktion habe die Präsidentin geschehen lassen, obwohl er dadurch bei seiner Rede gestört worden sei. Was Bures wiederum zurückwies: "Ich halte es für keine überbordende Aktion, wenn man Spenden sammelt für hilfsbedürftige Menschen."

SP-Klubchef Andreas Schieder warf der FPÖ daraufhin vor, "nur herumzukeifen und kein einziges Problem zu lösen. Damit ist keinem Flüchtling geholfen und auch keinem Österreicher geholfen." Was die Hilfe für Flüchtlinge vor Ort angeht, kündigte der SP-Politiker an, dass Österreich seinen Beitrag zum World Food Programme (WFP) der UNO "substanziell erhöhen" werde und lobte auch den Einsatz der Grünen dafür. Diese hatten zuletzt 50 Mio. Euro für Nahrungsmittelhilfe gefordert.

VP-Klubobmann Reinhold Lopatka zollte angesichts der jüngsten Beschlüsse auf EU-Ebene Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Kanzler Werner Faymann (SPÖ) Anerkennung. Die von der FPÖ eingebrachte Ministeranklage ist für ihn daher unverständlich: "Da wird hart gearbeitet von der Regierung und dann gibt es als Dank eine Ministeranklage. Oppositionskritik ja, aber das ist kein Beitrag zur Lösung des Problems."

Grünen-Klubchefin Eva Glawischnig erinnerte angesichts der FP-Forderung nach Versorgung der Flüchtlinge vor Ort daran, dass die Freiheitlichen in der Vergangenheit jede Erhöhung der Entwicklungshilfe abgelehnt hätten. "Ich finde es niederträchtig, die Flüchtlingsfrage als Wahlkampfthema dermaßen manipulativ zu missbrauchen, auch teilweise mit Unwahrheiten", hielt Glawischnig der FPÖ entgegen, deren Vorgehen sie für "herabwürdigend, brutal und aggressiv" hält.

Strolz appellierte an Bürger und Bürgerinnen

Neos-Klubchef Matthias Strolz appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, bei den kommenden Wahlen nicht FPÖ zu wählen. "Es weiß, dass es zum Verzweifeln ist", zeigte Strolz Verständnis für Unzufriedenheit mit der Regierung. Aber Rechtspopulisten zu wählen sei keine Lösung: "Das ist, wie bei Kummer zu Alkohol zu greifen: Sie werden am nächsten Tag mit einem Kater aufwachen, aber die Situation wird dieselbe sein."

Robert Lugar vom Team Stronach forderte die Regierung auf, Flüchtlingen lieber vor Ort zu helfen und "solidarisch" mit den 37.000 heimischen Obdachlosen zu sein. Im Übrigen warnte er vor der Islamisierung des Landes: Es gebe "so viele Beispiele auf der Welt", wo eine Kultur durch Migration ausgetauscht worden sei, sagte Lugar, ohne Beispiele zu nennen. (APA, 24.9.2015)