Figuren und Welten tragen Masken in den Filmen Mara Mattuschkas. Im Bild: "Burning Palace" (2009).

Foto: Mara Mattuschka

Wien – Wer es in der Welt ganz nach oben schaffen will, muss einen hohen Berg oder Turm besteigen, in jedem Fall eine aufragende Struktur. Und schon ist man mitten in der Sexualität. Und wenn eine Frau es ganz nach oben schafft, dann kitzelt sie dort immer noch der Phallus. Das kann sie entweder verdrängen oder damit spielen. Mara Mattuschka lässt in ihrem Science-Fiction-Film S.O.S. Extraterrestria (1993) den Eiffelturm wie einen Dildo aussehen. E.T., der Außerirdische wird hier zu einem weiblichen Archetyp: Extraterrestria, das ist so etwas wie das ganz Andere, das mit billigen Tricks einen ganzen Planeten verwüsten kann.

Das Weltall beginnt für eine experimentelle Filmemacherin wie Mara Mattuschka allerdings nicht da draußen, sondern weit innen: auf dem Schminktisch, in der Puppenstube, in dem erregend offenen Raum zwischen Ich und Spiegel, Ich und Kleiderkammer, Ich und Schneidetisch. So kommen Welten zustande, über die selbst ein Leibniz, bekanntlich der Philosoph, der am meisten davon unter einen Hut brachte, gestaunt hätte.

Glamour und Untergrund

Welten wie die, in denen es ein Inselreich der Huzzis gibt oder einen Perfect Garden. Welten, die auf Plasma beruhen und die dabei aussehen wie der Wiener Prater. Die Welten tragen dabei Masken, und die Figuren sind auch immer jemand anderer als sie selbst. Insofern ist es passend, dass die Würdigungsschau, die im Filmcasino an drei Tagen für diese große österreichische Filmkünstlerin stattfindet, den Titel The Different Faces of Mara Mattuschka trägt. Denn mit dem Gesicht gibt man sich zu erkennen, und Mara Mattuschka (geb. 1959 in Sofia) tut dies, indem sie sich verkleidet, schminkt oder entstellt.

Mimi Minus heißt ihr Alter Ego, es trat in den 1980er-Jahren zum ersten Mal auf, als Mattuschka noch (Trick-)Film bei Maria Lassnig studierte. In ihrem frühen Meisterwerk Kaiser Schnitt (1987) wird das Filmbild zur Buchstabensuppe und das Weiß zu einer Vulva.

Mattuschka hat seither, auch in verschiedenen künstlerischen Partnerschaften, die kleine Form immer stärker an den erzählenden Film herangeführt, ohne die anarchische Freiheit der Assoziation jemals preiszugeben. So ist ihr Werk auch so etwas wie ein weiblicher Gegenentwurf zum männlich dominierten österreichischen Aktionismus. Und zwar mit Mitteln, mit denen sie zugleich die Produktionslogiken einer Glamour-Factory wie jener Andy Warhols mit dem Untergrundethos eines queeren Helden wie Jack Smith kreuzt. Im Filmcasino läuft neben einer klugen Auswahl aus ihrem Schaffen auch jener Porträtfilm, den Elisabeth M. Klocker 2013 über die "Anti-Diva" gemacht hat. (Bert Rebhandl, 28.9.2015)