Michael Tatschl, Sascha Mikel und Martin Schnabl (v. li.) sind Breaded Escalope, ein Trio, dass vor allem mit experimentellem Design bekannt wurde.

Foto: Florian Topel

Niemand weiß genau, wie Honigkuchenpferde grinsen, aber so irgendwie muss das aussehen. Die Designer vom Studio Breaded Escalope sitzen zum allerersten Mal am brandneuen Tisch namens "Collective Desk" und strahlen von einem Ohr zum anderen. "Ja, wir sind in diesem Moment sehr stolz", klingt es wie im Chor. Das Möbel, dessen Paten im Prinzip die Gestalter Sascha Mikel, Martin Schnabl und Michael Tatschl sind, ist gerade in den schicken Räumlichkeiten des Showrooms der Neuen Wiener Werkstätte am Schottenring angekommen.

Foto: Neue Wiener Werkstätte

Hier kann man das gute Stück von nun an besichtigen und ordern. Noch eine Stunde zuvor stand es im Studio des Trios in Wien-Ottakring, einer ehemaligen Hartlauer-Filiale, zwischen vollgeräumten Stellagen, allerlei kauzigen Prototypen, einem Ort, an dem Sägespäne, Leim und laute Maschinen den Ton angeben, einem Platz, an dem wilde Kerle zu werken scheinen, deren Entwürfe vor allem durch ihren experimentellen und kunstnahen Charakter bekannt wurden.

Nun also ein Hochglanz-Schauraum an der Ringstraße: Gut macht er sich hier, der neue Tisch, der so ganz anders daherkommt als seine unzähligen Verwandten. Das liegt einerseits an seiner Beschaffenheit, andererseits am Designprozess, der hinter dem Objekt steht. Einem Prozess, wie es ihn in dieser Form vielleicht noch nie gegeben hat. Doch dazu später.

Bezüglich seiner Maße kann man nichts Außergewöhnliches über das Möbel sagen. Sieht aus wie ein mittelgroßer, durchaus üblicher, reduzierter Esstisch mit einem Rahmen aus Eichenholz. Spricht man über das Eingemachte, geht allerdings die Post ab, denn der "Collective Desk" spielt eine Menge Stückln. Fast schon könnte man ihn als Zaubermöbel titulieren. Die Zauberformel: verschiedenste Module in allerlei Materialien und Farben. Auf Wunsch lässt sich der Arbeitstisch ra-ru-rick in einen Küchentisch, einen Basteltisch, eine Werkbank oder einen Bürotisch verwandeln.

Selbst als Tischtennistisch nutzbar

Platz finden in, auf oder unter dem Möbel Laden für Krimskrams, eine Nähmaschine, natürlich ein Drucker, ein Elektropanel, eine Laptopunterlage, ein Papierkorb und verschiedene andere Features. Sogar ein Tischtennisnetz lässt sich anbringen. Man sieht, selbst bei einer so ernsten Angelegenheit wie einem Arbeitstisch vergessen die aus Kärnten stammenden Gestalter nicht auf ihren Schalk im Nacken, denn der ist bei Breaded Escalope genau dort zu Hause. Man denke zum Beispiel an ihr Objekt "Love me bender".

Die Gestalter, allesamt Jahrgang 1985, griffen sich bei diesem Projekt zwei Herdplatten, gewöhnliche Teekessel und verbanden deren Ausgüsse mittels Schläuchen mit einem verschließbaren Aluminiumrohr, in das Buchenholzlatten gelegt wurden. Nach circa 30-minütigem Dampfbad wurde das Holz gefügig, ließ sich prächtig biegen und wurde nach vordefinierten Radien mit einem billigen Plastikstuhl verbunden. Heraus kam ein eigenwilliges Sitzobjekt, "Thonet reloaded", sozusagen.

Arbeitstisch, Basteltisch, Küchentisch und einiges mehr ist der "Collective Desk".
Foto: Daniel Sostaric

Vom Kollektiv entworfen

Die Entstehungsgeschichte des "Collective Desk" ist nicht weniger ungewöhnlich als das wandelbare Möbel selbst. Der Tisch wurde nämlich von einem ganzen Kollektiv entworfen. Diesem Umstand – no na – verdankt das Stück auch seinen Namen. "Partizipativer Entwicklungsprozess" nennen die Designer diesen außergewöhnlichen Vorgang, der vor einem Jahr während der Vienna Design Week in Gang gebracht wurde. Breaded Escalope fragten sich, was es denn für ein Möbel sein könnte, das sich die Menschen da draußen, in ihren Küchen und Wohnzimmern, wirklich wünschten.

Gesammelt wurden Ideen und Kommentare, gefragt wurden Experten wie Harald Gründl vom Designbüro Eoos oder Christiane Varga vom Zukunftsinstitut, aber auch unzählige andere, die entweder persönlich im Rahmen von Workshops oder über eine eigens eingerichtete Website ihren Input lieferten. "Wir waren einfach daran interessiert, einen kreativen Prozess zu moderieren, als im Vordergrund zu gestalten. Das hilft auch, Menschen zu motivieren, sich mehr mit Produkten auseinanderzusetzen", sagt Michael Tatschl.

Irgendwann kristallisierte sich das Thema "Arbeitsplatz für zu Hause" heraus, offensichtlich ein gefragter Ort. Also musste die Definition eines Kriterienkatalogs her: In diesem stand zu lesen, dieser Arbeitsplatz müsse modular, langlebig, zeitlos und stabil sein. Ebenso ging es um eine verantwortungsvolle Materialwahl und um eine geplante, variable Do-it-yourself-Variante. (Zu haben ist der Tisch übrigens je nach Konfiguration ab 2150 Euro.)

Foto: Daniel Sostaric

Was folgte, waren weitere Umfragen und Workshops, die unter anderem mit reger Beteiligung im Wiener Mak stattfanden, Optimierungsphasen, gemeinschaftliche Tüfteleien, analog wie virtuell, das Testen und die Vorstellung der Prototypen sowie die Präsentation der Testtagebücher.

Auf die Frage, von welchem Menschenschlag diese circa 50-köpfige Community gewesen sei, erzählt Tatschl: "Es waren sehr unterschiedliche Leute involviert. Bürohengste und Software-Nerds waren ebenso dabei wie Näherinnen, Industriedesigner oder Hardcore-Heimwerker. Diese Schwarmintelligenz zu koordinieren war eine ganz schöne Herausforderung und Lektion. Sogar Detailentscheidungen wie Eckverbindungen fielen letztendlich demokratisch über Online-Voting."

Foto: Daniel Sostaric

"Der größte Aufwand bei dieser Vorgehensweise ist das Community-Management, also die involvierte Gemeinschaft rund um die Uhr anzuregen, aber auch sie und ihre Inputs zu integrieren", sagt Martin Schnabl. Sind diesbezüglich ausreichend Ressourcen vorhanden, können sich die drei Gestalter durchaus vorstellen, auch mit einer viel größeren Menge von Menschen ein Projekt auszutüfteln. Warum nicht gleich mit ganz Österreich ein Möbel bauen? "Theoretisch ist das denkbar, auch ein Kuli oder ein Auto wären möglich", sagen die drei. Einstweilen aber sind sie zufrieden, dass sie in aller Ruhe an ihrem "Collective Desk" sitzen dürfen. Ganz allein. Wenigstens ein Weilchen. (Michael Hausenblas, RONDO, 5.10.2015)

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