Bei SUVs waren die Koreaner immer schon stark. Nach dem Ausflug als ix35 kehrt der Tucson zum alten Namen zurück und bringt dabei ganz neue Qualitäten mit – in Sachen Design, aber auch in der Technik, wo nun der Lückenschluss zu Europa vollzogen ist

Sie haben Ihr Ziel erreicht. Darauf verweist oft die freundliche Stimme des Navigationssystems bei Ankunft am Zielort. Man kann den Wortlaut weiterreichen an den Tucson. Mit ihm haben die ehrgeizigen Koreaner praktisch auf der gesamten Produktpalette endgültig aufgeschlossen zu den tonangebenden Herstellern aus Europa und Japan. Ein rundum gelungener SUV, dies gleich vorweg.

Nach einem kleinen Zwischenstopp ist Hyundai bei der Namensgebung zu Tucson zurückgekehrt. Das liegt womöglich daran, dass der p. t. Kundschaft die Assoziation mit Arizona besser mundet, da schwingt jener Hauch von Abenteuer, von Ausbruch aus Alltag und Straßennetz mit, der zur absatzfördernden SUV-Mythenbildung gehört. Beim Vorgänger ix35 hingegen dachten die Leute vielleicht eher an einen mental labilen Techniker oder an Exoplaneten à la HR 8799 b, S Ori 70, 16 Cyg B b, Gliese 581 d.

Foto: Stockinger

Jedenfalls, Tucson is back in town, und er spricht nahezu akzentfrei Deutsch. Entwickelt wurde das Auto in Rüsselsheim, für seine Gestaltung zeichnet neben Hyundai-Markendesignchef Thomas Bürkle auch der neuerdingsige Hyundai-Kia-Konzerndesignobercapo Peter Schreyer verantwortlich. Die beiden haben ein ansehnliches Ding auf die Räder gestellt, die leisen Anklänge an Fordnissanmazda (Kuga, Qashqai, CX-5) erklären sich aus dem aktuellen Zeitformgeist.

Satt und breit steht er da, der Tucson, üppig dimensioniert der hexagonale Grill (für die größeren Steaks der abendlichen Grillfete?), muskulös und markant, jede Linie, jeder Falz, jedes Schwingen im Blechle passt, da freut sich das Auge – sofern man kein eingefleischter SUV-Gegner ist. Das überbordende Gewoge der Formen, wie es etwa noch im i40 vorherrschend ist, hat hier zu harmonischem Maß gefunden; diese Tendenz hatte sich aber ohnehin schon beim i20 abgezeichnet.

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Die Testwagenfarbe nennt sich White Sand, klingt nach New Mexico und dem dortigen Atombombengelände White Sands, und das "Weiß" findet sich, wenn, dann nur im Augapfel des Betrachters. Na ja, solange nicht "Schwarzes Quadrat" oben steht wie vor 100 Jahren bei einem Avantgarde-Klassiker von Kasimir Malewitsch, und das Auto ist dann lila ...

Innen setzt sich der Mix aus rund und kantig fort. Die Platin-Topausstattung hält unter anderem feines Ledergestühl bereit, freundlicherweise perforiert, weil mit dreistufiger Sitzkühlung versehen, so übersteht man auch Rekordsommer. Der Rest der Einrichtung hinterlässt ebenfalls keine Fragezeichen, selbst die Kunststoffe wirken ausreichend hochwertig, alles wurde gefühlvoll aufeinander abgestimmt, wirkt tadellos verarbeitet.

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Kapitel Durchdachtheit: Vom zum Kühlschrank umfungierbaren Handschuhfach über das geräumige Mittelfach unter der Armlehne und die ausreichend dimensionierten Türfächer (inklusive Flaschenausbuchtung) bis hin zur gummierten Ablage (inklusive Aux- und USB-Anschluss darüber) vor dem Automatikwählhebel – es ist für etliche Bedürfnisse des Fahralltags angerichtet.

Vorn und hinten brauchen sich die Passagiere nicht über Platzmangel beklagen. Der Kofferraum ist vielleicht nicht der allergeräumigste, 513 bis 1503 l Volumen reichen aber locker, sofern man nicht gerade mit dem ganz großen Gepäck unterwegs ist oder eine Mischmaschine transportieren will. Allerdings nervt der Tucson hier erstmals. Die automatische Heckklappe öffnet und schließt – nun ja: recht bedächtiglich. Nur ned hudeln, sagt der Volksmund, vom Hudeln kommen die Kinder.

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Nur ned hudeln ist auch die Grunddevise des 136-PS-Diesels, weshalb wir, sportiv hoffnungslos verzärtelt, stets die Drive-Mode-Taste beim Wegfahren gedrückt haben, die den Sport-Modus aktiviert. Bringt Antritt und Spurtfreude wie erhofft, schon beim ersten Druck aufs Gaspedal, und strafft außerdem die Federung.

Ansonsten wäre zum Aggregat zu sagen: mittlerer der drei für den Tucson verfügbaren Selbstzünder. Der schwächere hat 116 PS, der stärkere 185. 6,1 l / 100 km ermittelte der Normtestzyklus, wir kamen real auf rund 8,5 Liter, mindestens einen davon schreiben wir der auf Hochtouren werkenden Klimaanlage zu – wie gesagt: Rekordsommer. Motorischer Gesamteindruck? Moderner Motor. Aber zu den besten seiner Art ist noch Luft, auch akustisch.

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Das Fahrwerk passt, lediglich bei kurzen Wellen neigt es ein bisserl zum pumpern. Das kennt man aber auch von manchem Konkurrenten aus Europa oder Fernost.

War sonst noch was, Sicherheit vielleicht? Auch da ist alles erhältlich, was man braucht oder zu brauchen meint. Sauber links neben dem Lenkrad sitzen die Tasten, unter anderem für Blindwinkelsensor und Spurhalteassistent. Übersichtlich auch der Rest des Cockpits, mit relativ wenigen Tasten und Knöpfen, das überfordert nicht und beruhigt das Gemüt.

Fazit: siehe Eingangsbemerkung. Gelungenes Fahrzeug. Wie man hört, stehen die Kunden schon Schlange. (Andreas Stockinger, 2.10.2015)

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Hyundai

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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