Wien – Eine Shopping-Mall hier, eine Umfahrungsstraße dort – um die Frage, wie, wo und warum in Österreich gebaut wird, beantworten zu können, bedarf es Strategien und Auflagen. Bis zum Jahr 1987 hatte die Bundesregierung dafür ein eigenes "Ministerium für Bauten und Technik". Danach wurden die Zuständigkeiten auf verschiedene Ressorts aufgeteilt – mit dem Ergebnis, dass sich für baukulturelle Gesamtstrategien niemand mehr so richtig zuständig fühlte.

Ab dem Jahr 2002 machten dagegen verschiedene Architekturorganisationen mobil. Mit Erfolg: 2004 richtete die Bundesregierung auf Druck der Zivilinitiativen einen Beirat für Baukultur ein, der dem Parlament alle fünf Jahre einen Baukulturreport vorlegen sollte. Dieser erschien erstmals 2006 und listete zahlreiche Problemfelder auf, von schlechter Energieeffizienz beim Siedlungsbau über die unfaire Vergabe von Bauaufträgen bis zu steigenden Mietpreisen.

Der bisher letzte Report von 2011 schrieb viele dieser Defizite fort. Außerdem schlug der Beirat der Regierung vor, baukulturelle Leitlinien als Selbstverpflichtung der Republik erstellen zu lassen und für deren Umsetzung Geld freizugeben. 2012 bat Josef Ostermayer (SPÖ), damals noch Staatssekretär im Kanzleramt, den Baukulturbeirat, Konzepte dafür auszuarbeiten, die 2013 auch vorgelegt wurden. Dann kam die Nationalratswahl, und Ostermayer wurde Kanzleramtsminister. Der Baukulturbeirat ist seither nicht wieder zusammengetreten, das Konzept wartet auf Umsetzung.

Keine Superbaubehörde, sondern Impulsgeber

Die Grünen – die mehrere Anträge und Anfragen dazu einbrachten – werfen Josef Ostermayer nun Untätigkeit vor. Die Regierung habe keines der vom Baukulturbeirat und der Zivilgesellschaft angesprochenen Defizite und Problemfelder "auch nur irgendwie in Angriff genommen", meint der grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl. Ohne den parlamentarischen Druck seiner Partei, so Zinggl weiter, würde es den Beirat nicht einmal mehr geben.

Eine parlamentarische Anfrage der Grünen, Ende Juli eingebracht, wurde von Minister Ostermayer nun beantwortet. Demnach soll der neue Baukulturreport (eigentlich für 2016 vorgesehen) "möglichst zeitgerecht, allenfalls zu Jahresanfang 2017" erscheinen. Zu der Verzögerung sei es laut Ostermayer wegen "organisatorischer Änderungen im Bundeskanzleramt" gekommen. Als neuer Vorsitzender des Baukulturbeirats wurde Anfang August Christian Kühn von der TU Wien bestellt. Ende Oktober werde der Beirat zum ersten Mal seit zwei Jahren zusammentreten.

Der Beirat soll und kann laut Ostermayer "keine Superbaubehörde" sein. Vielmehr sehe er ihn als "wichtigen Impulsgeber". Die von ihm 2012 angeregten und vom Beirat ausgearbeiteten baukulturellen Leitlinien stünden nach wie vor auf der Agenda, könnten aber laut Ostermayer nicht vom Bund allein umgesetzt werden. Dazu bedürfe es auch der Initiative und Mitarbeit der Länder und Gemeinden, so der Minister. (Stefan Weiss, 5.10.2015)