In ihrer WG fotografierte Nathan Murrell Pauline Fusban, Steffen Link, Jürgen Partke, Tino Hillebrand und Minhoi Melody (im Uhrzeigersinn links oben beginnend).

Nathan Murrell

Trautes Heim, WG-Glück allein! Zu Besuch in der kreativen 5er-WG am Wiener Naschmarkt: Jürgen Partke (28) studiert Kunst an der Akademie der bildenden Künste, Pauline Fusban (25) Schauspiel am Max-Reinhardt-Seminar, Steffen Link (26) ist Schauspieler, Minhoi Melody (26) studierte Philosophie, und Tino Hillebrand (25) ist Schauspieler und in verschiedenen Rollen am Burgtheater zu sehen (v. l. n. r.). Schildkröte Tiffy wollte nicht mit aufs Bild.

Nathan Murrell
Foto: Nathan Murrell
Foto: Nathan Murrell
Foto: Nathan Murrell
Foto: Nathan Murrell

Nach und nach trudeln alle fünf Bewohner der WG am Wiener Naschmarkt ein, verschwinden kurz in den großzügigen Altbauzimmern, um sich dann am runden Küchentisch zu versammeln. Es gibt Kaffee, der Geschirrspüler gibt den Backgroundsound.

STANDARD: Wer räumt bei euch den Geschirrspüler aus?

Alle. Da gibt's keine Mätzchen. Hat das Ding fertiggespült, wird er ausgeräumt.

STANDARD: Wie sieht es sonst mit Regeln aus?

Eigentlich gibt's keine. Wir haben eine Liste, auf der jeder einträgt, was er für die WG einkauft: Milch, Zucker, Öl, Klopapier und solche Dinge. Das Geld streckt jeder vor, und nach einer gewissen Zeit wird abgerechnet, also durch fünf geteilt. Das passiert meistens, wenn der Erste pleite ist und hofft, noch Geld zurückzubekommen.

STANDARD: Wie schaut's mit Putzen aus?

Auch hier haben sich die Regeln Gott sei Dank erledigt. Es gibt eine Frau, die kommt alle zwei Wochen und macht die gemeinsam genützten Räume sauber. Außerdem sind wir alle einigermaßen ordentlich.

STANDARD: Reden wir über den Kühlschrank. Wird gefladert?

Klar, das muss man aber geschickt anstellen. Also ein Joghurt aufmachen, halbleer löffeln und Deckel wieder drauf, das ist echt fies.

STANDARD: Was gibt's über die Toilette zu erzählen?

Alles paletti. Wir haben nicht einmal ein Schloss an der Klotüre.

STANDARD: Wie haltet ihr es mit Besuchen?

Wir sind ein Open House. Das ist super. Sollte jemand Besuch für längere Zeit erwarten, dann wird das im Vorhinein kommuniziert.

STANDARD: Und wenn einer der Bewohner nachts um vier mit drei Mädels heimkommt?

Dann macht der in seinem Zimmer Party.

STANDARD: Und weckt alle anderen.

Nein, wir nehmen Rücksicht. Wird's halt eine stille Party. Außerdem: Wer in einer WG wohnt und es leise haben will, der hat irgendetwas nicht verstanden. Deswegen muss man aber auch nicht fünf Stunden Techno hören.

STANDARD: Das klingt alles so harmonisch. Wird denn in dieser WG überhaupt nicht gestritten?

Wenn es ein Problem gibt, dann wird das angesprochen. Wir sind nicht konfliktscheu. Wir haben sogar eine eigene Whatsapp-Gruppe. Man muss also nicht mal aufstehen, wenn man sich über etwas beklagen will. Wir streiten nur beim Kartenspielen. Die Größe der WG ist mit fünf Personen auf 170 Quadratmetern sehr gut. Man kann sich zurückziehen. Ist eine WG kleiner, entsteht eher so ein Partnerschaftsfeeling, das für Konflikte anfälliger macht.

STANDARD: Gibt's einen Boss in der WG?

Wenn es einen gibt, dann ist es Tino. Der wohnt am längsten hier, steht im Mietvertrag und kümmert sich um das ganze administrative Zeug, treibt das Geld ein usw. Außerdem hat er letzte Woche nicht erlaubt, dass die Heizung aufgedreht wird. Er meinte, Dezember wäre früh genug. Fieserweise ist das Thermostat in seinem Zimmer.

STANDARD: Was ist, wenn ein Bewohner seinen Partner mitbringt?

Auch das ist okay. Der oder die muss ja nicht gleich einziehen. Wir haben wirklich genug Platz. Außerdem sind wir viel unterwegs, haben sehr verschiedene Rhythmen.

STANDARD: Nehmen wir den Fall, einer von euch zieht aus. Wie wird entschieden, wer als Nächster einziehen darf?

Die Chemie muss stimmen. Man setzt sich zusammen, redet miteinander. Oft kennt man sich ja schon irgendwie. Einmal haben sich 20 Leute für ein Zimmer beworben, zum Teil über eine Internetplattform. Die kamen dann innerhalb von drei Tagen alle vorbei, um sich vorzustellen. Das war ganz schön anstrengend.

STANDARD: Schon einmal jemand aus dieser WG rausgeflogen?

Ja. Das war ein eigenartiger Typ, einer, der immer gefallen wollte. Der saß dauernd in der Küche und gab einem das Gefühl, man müsse sich näherkommen. Das hat furchtbar genervt.

STANDARD: Was wäre, wenn einer einen Schäferhund in die WG mitbringen wollte?

Schäferhund geht gar nicht. Aber wir haben eine Schildkröte namens Tiffy. Die passt perfekt zu uns und ist auch gern hier eingezogen.

STANDARD: Hat einer von euch einen Tick?

Eine von uns hätte gern nur weiße Handtücher im Bad, weil ihre Mutter nur braune Handtücher hatte. Das war's auch schon. Aber da kann freilich schon noch etwas kommen.

STANDARD: Wann wird es Zeit, das Lebensmodell Wohngemeinschaft aufzugeben?

Natürlich hat diese Überlegung sehr viel mit dem Job zu tun. Ein nächster Schritt wäre schon eine eigene Wohnung. So schön es hier ist, für die Ewigkeit ist das nichts. Wobei sich der Wohnungsmarkt nicht gerade sehr kuschelig entwickelt. Wer weiß, wie teuer es in Zukunft sein wird, einigermaßen zentral wohnen zu können. Tino wär's am liebsten, wir würden alle ausziehen, und er hätte die Wohnung für sich allein. Er wünscht sich sogar ein eigenes Geschenke-auspack-Zimmer. (Michael Hausenblas RONDO, 9.10.2015)