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Eine Zweierkonfrontation im TV wäre ein Quotenhit, auf den man offenbar freiwillig verzichtete.

APA

Soll noch einmal jemand behaupten, das "Duell um Wien" zwischen dem roten Bürgermeister Michael Häupl und dem blauen Herausforderer Heinz-Christian Strache sei rein von den (Boulevard-)Medien erfunden. Häupl hat dieses Duell im vollen Bewusstsein um das Risiko seines Ausgangs angenommen. Sonst hätte er wohl nicht dem ORF eine direkte Zweier-TV-Konfrontation mit Strache angeboten, wie dem "Kurier" aus dem Bürgermeisterbüro bestätigt wurde.

Die ORF-Führung hat das allerdings abgelehnt – mit der sehr formalistischen Begründung, ein solches Duell allein sei aus öffentlich-rechtlichen Gründen nicht möglich, von wegen Neutralitätsgebot und so. Also müsste man noch weitere Zweierkonfrontationen oder zumindest eine Dreierrunde machen – und das sei nun einmal bei Landtagswahlen nicht üblich.

Keine Wahl wie jede andere

Das ist ein sehr unjournalistischer Zugang, den man auf dem Küniglberg demnächst überdenken sollte. Zunächst einmal ist die Wien-Wahl so etwas wie die Primetime unter den Landtagswahlen – ihr Ergebnis wird in jedem Fall Schlagschatten auf die Bundespolitik werfen. Zudem sind beinahe alle Wahlen, bei denen es zu einem politischen Farbwechsel an der Spitze kommen könnte, interessant genug, sie nicht als "business as usual" abzuhandeln – es sei denn, es handelt sich wirklich nur um einen Urnengang in Giegritzpatschen.

Ein Fernsehduell zwischen Häupl und Strache ablehnen heißt, freiwillig auf Traumquoten zu verzichten – und das ohne Not. Nicht einmal von Wahlbeeinflussung kann die Rede sein: Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass TV-Konfrontationen Wahlentscheidungen nur verfestigen können. Neue Wähler werden auf diese Weise kaum angesprochen.

Redaktion geht Umwege

Dass die ORF-Redaktionen die journalistische Brisanz des Wiener Duells sehr wohl erkannt haben, beweist allein die Tatsache, dass etwa nach der "Elefantenrunde" die "ZiB 2" die Berater-Antipoden Josef Kalina (tiefrot) und Andreas Mölzer (tiefblau) zur Analyse ins Studio bat. Was wiederum insofern komisch kam, als damit ja just der Vorwurf rot-blauer Bevorzugung kommen könnte – und es sich außerdem um eine Stellvertreterdebatte handelte. Die Journalisten des ORF müssen also Umwege gehen, weil die Führung sich, ein Jahr vor der Wahl eines neuen Generaldirektors, nur ja keinen Vorwürfen der Politik aussetzen will.

Dazu kommt noch, dass sich die Ö1-Redaktion sehr wohl um ein solches Duell bemühte – und zwar "monatelang", wie Gabi Waldner twitterte. Das freilich hat offenbar Häupl abgelehnt, weil er eben lieber ins Fernsehen geht, denn: wenn schon, denn schon, Quote und so.

Umdenken gefragt

Was wiederum zeigt, dass auch die Politik umdenken muss: Es gibt mittlerweile so viele Möglichkeiten, seine (Wahl-)Botschaft zu platzieren und Aufmerksamkeit zu gerieren – da muss es nicht immer das ORF-Fernsehen sein. Warum nicht ins ORF-Radio gehen und zusätzlich etwa zu Puls 4? Die Politikredaktion des Senders ist hochprofessionell, an den Sendungen und Talks gibt es wenig auszusetzen.

Die Politik muss (nicht nur in Wahlzeiten) flexibler, professioneller und weniger empfindlich werden. Und die ORF-Führung muss sich insgesamt mehr getrauen. (Petra Stuiber, 8.10.2015)