Gezüchtetes Rebhuhn zur Niederwildjagd, an der österreichisch-ungarischen Grenze ausgesetzt.

Foto: VGT

Ein verschwundener Luchs aus einem Wiederansiedlungsprojekt im Nationalpark Kalkalpen.

Foto: NATIONALPARK KALKALPEN/UNBEKANNT

Fragwürdige und umstrittene Jagdpraktiken scheinen in Österreich verbreitet zu sein. Ein Fall im Burgenland, wo gezüchtete Rebhühner zur Niederwildjagd gequält und nicht fristgerecht ausgesetzt worden sein sollen, sorgt jetzt für Diskussionen bei Jägern und ihren Kritikern.

Die Bezirksverwaltungsbehörde Güssing ermittelt gegen den Jagdherrn Alfons Mensdorff-Pouilly, der Jagdverband prüft, ob der Ehrenkodex verletzt wurde. In einem Fall aus Kaumberg ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien bis heute gegen prominente Jäger, und in Steyr beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft mit dem illegalen Abschuss eines Luchses durch eine Linzer Jägerin.

Anzeigen gegen Mensdorff-Pouilly

Bei der Bezirksverwaltungsbehörde Güssing sind laut Bezirkshauptfrau Nicole Wild Anzeigen gegen Mensdorff-Pouilly eingelangt. "Die Amtstierärztin ermittelt. Letzes Jahr wurde gegen den Jäger bereits eine Geldstrafe wegen einer Verwaltungsübertretung in der Tierhaltung verhängt", sagte Wild.

Der Verein gegen Tierfabriken (VGT) hatte letzten Samstag aufgedeckt, dass in Mensdorff-Pouillys Jagdrevier an der österreichisch-ungarischen Grenze gezüchtete Rebhühner in Kisten gepackt und viel zu spät ausgesetzt worden seien.

Rebhühner aus Mensdorff-Pouillys Haltung befreit

"Mensdorff-Pouilly hält immer noch illegal Rebhühner, Fasane und Stockenten, und die Behörden verhindern das trotz unserer Anzeigen nicht. Wir haben nun 16 Rebhühner aus seinen Volieren befreit und ins Wiener Tierschutzhaus gebracht", sagte VGT-Obmann Martin Balluch.

"Der konkrete Fall ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein", erklärt Madeleine Petrovic, Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins. "Sonntagsjagden für zahlungskräftige und einflussreiche Leute stehen an der Tagesordnung."

Das Ansehen der Jägerschaft

Auch der Landesjagdverband beschäftigt sich mit den Vorgängen im Jagdrevier des Lobbyisten. Laut Geschäftsführer Andreas Duscher ist eine Disziplinaranzeige eingegangen. "Der Verbandsanwalt prüft, ob die Voraussetzungen für ein Disziplinarverfahren vorliegen. Sind diese laut Verbandsanwalt gegeben, wird der Fall dem Disziplinarrat vorgelegt und vom Ehrensenat innerhalb einer Verhandlung über das Strafmaß entschieden."

Verbandsintern wird geahndet, wenn "das Ansehen der Jägerschaft durch das Verhalten eines beschuldigten Jägers beschädigt wird. Das Verfahren ist nicht öffentlich und unabhängig von behördlichen Schritten", erklärt Duscher.

Auch gegen andere prominente Jäger wird ermittelt

Es ist nicht die erste Disziplinaranzeige gegen Mensdorff-Pouilly, und er ist keineswegs der einzige prominente Jäger, gegen den behördlich ermittelt wurde oder wird. Im Jahr 2013 wurde eine hochrangige Jagdgesellschaft unter anderem wegen Waldzerstörung, Tierquälerei und Verstößen gegen die Weidgerechtigkeit angezeigt. Eine Wildschweinjagd in einem Jagdgatter in Kaumberg in Niederösterreich hatte damals für Aufmerksamkeit gesorgt.

Berichtspflichtige Staatsanwaltschaft ermittelt noch

Die Staatsanwaltschaft Wien teilte dem STANDARD auf Anfrage zum Fall Kaumberg mit: "Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen." Aufgrund der prominenten Namen bestehe öffentliches Interesse, und die Staatsanwaltschaft sei berichtspflichtig. In solchen Fällen könne es schon einmal länger dauern.

Eigenkontrolle durch Disziplinarrat

Ein Disziplinarverfahren gegen die Jagdleitung des niederösterreichischen Jagdverbands wurde vom Disziplinarrat eingestellt. Der ehemalige Vizekanzler und ÖVP-Chef Josef Pröll war in seiner Position als Landesjägermeister auch Vorsitzender des Disziplinarrats. Eine Frage zum Stand der Dinge beantwortet Pröll nicht, weil er im Ausland sei, wie es gegenüber dem STANDARD heißt.

Jagdexperte und Tierarzt Rudolf Winkelmayer kritisiert: "Es gibt keine Transparenz, wie ein Disziplinarrat zu seinen Entscheidungen kommt. Wie glaubwürdig ist die Eigenkontrolle? Der Verdacht der politischen Einflussnahme steht zudem im Raum."

Luchsjägerin aus Oberösterreich

Auch in Oberösterreich gibt es Probleme mit der jagenden Gesellschaft. Eine Jägerin aus Linz hat gestanden, einen Luchs im Nationalpark Kalkalpen aufgrund einer Verwechslung erschossen zu haben. Der illegale Abschuss des geschützten Luchses aus einem Wiederansiedlungsprojekt beschäftigt nun die Staatsanwaltschaft Steyr.

"Es geht hier um Problemjäger", sagt SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. "Der österreichische Staat muss Schadenersatz erhalten." Jägerinnen und Jäger sollen für den finanziellen Schaden aufkommen, der ihretwegen bei Bund und Ländern entsteht.

Winkelmayer: Jäger schaffen Schlupflöcher

"In den Landesjagdgesetzen schafft sich die Jägerschaft halblegale Graubereiche", entgegnet Jagdexperte und Tierarzt Rudolf Winkelmayer. "Will die Jägerschaft ernst genommen werden, muss sie klare Trennlinien ziehen. Dafür ist es notwendig, das Züchten und Aussetzen von Tieren zu jagdlichen Zwecken sowie das Jagen in eingezäunten Gebieten explizit zu verbieten, anstatt weitere rechtliche Schlupflöcher zu schaffen."

Jäger müssten selbst über ihr Verhalten entscheiden, "das geltende Jagdgesetz gibt den Rahmen dazu vor. Der Landesgesetzgeber findet hier das nötige Augenmaß", sagt Peter Lebersorger, Generalsekretär der österreichischen Landesjagdverbände.

Verbote erwünscht

Der Wiener Tierschutzverein fordert "ein striktes Verbot von Gatter-, Hetz- und Treibjagden sowie der Züchtung von Wildtieren zur gezielten Tötung. Wir werden nicht vor dieser Lobby in die Knie gehen und stellen uns schützend vor diese unschuldigen Geschöpfe", betont Grünen-Landtagsabgeordnete Petrovic.

Und auch Franz Puchegger, Geschäftsführer vom Ökologischen Jagdverband, spricht sich für Verbote aus: "Wir fordern ein Verbot von Jagdgattern und der Jagd auf gezüchtete Tiere. Unter anderem deshalb, weil durch diese Jagdpraktiken Wald nachhaltig zerstört wird."

Von Praktiken wie der Gatterjagd und der Jagd auf gezüchtete und ausgesetzte Tiere hält auch Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) persönlich nichts, heißt es aus seinem Ministerbüro. (Victoria Windtner, 10.10.2015)