Freunde von Wahlkampf-Randale hat Heinz-Christian Strache in diesem Wien-Wahlkampf bitter enttäuscht. Der FPÖ-Chef war betont zurückhaltend, sieht man einmal von der üblichen Anti-Ausländer-Rhetorik ab – die aber auch nicht schlimmer daherkam als zu Nichtwahlkampfzeiten. Die Hauptstoßrichtung des blauen Wahlkampfes scheint gewesen zu sein: nur ja keine Abstecher zu weit nach rechts, um möglichst breite Wählerschichten anzusprechen.

Die europäische Politik mit dem Hauptthema Flüchtlinge machte es Strache und der FPÖ leicht. Die Rolle des rechten Rabauken übererfüllte Ungarns Premierminister Viktor Orbán. In seinem Windschatten die Errichtung von Zäunen gegen die "Asylantenflut" zu propagieren und über den geplanten "Austausch der einheimischen Bevölkerung" zu orakeln war aus FPÖ-Sicht logisch. Bayerns CSU-Chef Horst Seehofer lieferte Strache dann noch die brandaktuellen Argumente zum Wahlkampffinale.

Aber auch die SPÖ musste sich, nachdem Michael Häupl den Fehdehandschuh von Strache aufgenommen hatte, inhaltlich nicht mehr groß anstrengen. Der Wiener Bürgermeister positionierte sich als das Gesicht des "anderen", des "guten" Wien – die Themen "Gemeindewohnungen bauen" und "in Arbeitsplätze investieren" waren nur mehr Drüberstreuer. Es schien, als brauchte Häupl förmlich das konfrontative Entweder-oder mit der FPÖ, um sich zu motivieren. Man merkte ihm an, dass er es noch einmal wissen wollte – wenn er auch zum Ende des Wahlkampfs einigermaßen erschöpft wirkte.

Deutlich war zu sehen, dass die Flüchtlingsthematik die Grünen auf dem falschen Fuß erwischte. Man hatte sich offenbar darauf eingerichtet, mit sanften Tönen die Segnungen von fünf Jahren Rot-Grün verkaufen zu können. Der grüne Wohlfühlwahlkampf mit den "Für Sie erreicht"-Themen wirkte aber irgendwie am Hauptthema vorbeiargumentiert. Erst ganz zum Schluss zog Spitzenkandidatin Maria Vassilakou auch das Flüchtlingsthema noch einmal politisch hoch.

Ähnlich schwer hatten es auch die Neos. Der persönlich angriffige Wahlkampf von Beate Meinl-Reisinger war riskant, aber wohl die einzige Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erzielen.

Freilich könnten die Neos von der ÖVP profitieren, deren Wahlwerbung von Verzweiflung getragen schien. Von der Bundespolitik weitgehend im Stich gelassen, wirkte Spitzenkandidat Manfred Juraczka mit Autofahrer-Parolen und dem vollmundigen Versprechen, 25.000 Arbeitsplätze (quasi im Alleingang) zu schaffen, seltsam aus der Zeit gefallen. Der patscherte Versuch, den Neos mittels Dirty Campaigning zu schaden (und sich dabei erwischen zu lassen), reiht sich nahtlos an andere Eigenfehler Juraczkas: etwa die ältere Wählerklientel zu vergraulen, indem er Ursula Stenzel in Straches Arme trieb, die langjährige Seniorensprecherin Ingrid Korosec zu vergrätzen und mit dem Absägen von Isabella Leeb einen Teil der Wirtschaft gegen sich aufzubringen.

Themen, welche die Stadt schon um ihrer Zukunft willen bewegen sollten, gingen unter: etwa der Reformstau, den es, von der SPÖ hartnäckig negiert, in Teilen der öffentlichen Verwaltung gibt. Oder die höchst unterschiedliche Qualität von Wiener Schulen und die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit in allen Bereichen ansteigt. Das alles fiel unter den Tisch – zugunsten eines Wahlkampfs der Gefühle. (Petra Stuiber, 10.10.2015)