Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat sich für den Angriff als beste Form der Verteidigung entschieden. Der bärbeißige SPÖ-Politiker, der seit 1994 die Bundeshauptstadt regiert, hat das Duell gegen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache für sich zu nutzen gewusst. Ein Zeichen gegen Strache setzen oder diesen verhindern zu wollen: Rund ein Viertel der SPÖ-Wähler gab an, dass dies ihr Hauptmotiv für die Stimmabgabe zugunsten dieser Partei war.

"Er oder ich"

Die Formel "Er oder ich" hat auch einen beträchtlichen Teil der Grün-Anhänger bewogen, ihr Kreuz diesmal bei der SPÖ zu machen. Die sogenannten taktischen Wähler haben verhindert, dass die FPÖ in Wien Platz eins erobern konnte. Ihre Stimmen könnten wahlentscheidend gewesen sein.

Häupl hat das aber auch mit klaren Ansagen in der Flüchtlingspolitik verbunden. Dieses Thema hat, wie schon in Oberösterreich, den Wahlkampf geprägt. Wer Schutz suche, werde aufgenommen, Wien werde mehr Wohnraum bereitstellen, versprach er. Der rote Häupl nahm sogar Anleihen bei der schwarzen deutschen Kanzlerin Angela Merkel: "Wir schaffen das."

Abgrenzung statt Anbiederung

Der Wiener Bürgermeister hat sich im Gegensatz zum oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer und zum burgenländischen SPÖ-Chef Hans Niessl in Bezug auf die FPÖ für Abgrenzung statt Anbiederung entschieden. In Wien wurde daher auch über die Frage entschieden, welcher Kurs erfolgreicher ist.

Die Zuspitzung auf das Duell Häupl gegen Strache hat die Grünen Stimmen gekostet. Mit ihrer Ansage, bei einem Stimmenverlust zurücktreten zu wollen, hat sich Grünen-Chefin Maria Vassilakou aber ohne Not selbst in eine schwierige Situation manövriert.

Notwendige Reformen

Auch wenn die SPÖ Platz eins verteidigen konnte, so kann das nicht über das Ausmaß der Stimmenverluste hinwegtäuschen. Die FPÖ ist im roten Wien noch tiefer in ehemals sozialdemokratische Kernschichten eingedrungen. Die SPÖ sollte sich nicht allzu viel Zeit für Jubelfeiern nehmen. Die bei der Wahl zum Ausdruck gekommenen Zukunftsängste, die mit den Themen Wohnen, Verkehr und Arbeit zusammenhängen, sollten politisch aufgegriffen werden. Häupl selbst hat am Wahltag gesagt: "Es ist notwendig, die Sozialdemokraten auf die neuen Zeiten vorzubereiten." (Alexandra Föderl-Schmid, 11.10.2015)