Es ist ein Desaster für eine Partei, die in diesem Land – historisch betrachtet durchaus zu Recht – einmal wirklich staatstragend beziehungsweise staatsbildend war. Und auch wenn Wien seit langem ein besonderer ÖVP-Problemfall war – mit nicht einmal zehn Prozent der Stimmen in der Bundeshauptstadt landete die Volkspartei nicht nur das schlechteste Ergebnis, das die Schwarzen jemals bei einer Landtagswahl in der Zweiten Republik eingefahren haben. Die ÖVP steht am Abgrund zwischen Sein oder Nichtsein.

Es ist eine existenzbedrohende Wahlniederlage, die sie zum Handeln zwingt. Die Wiener ÖVP muss sich neu erfinden, wenn sie das politische Milieu in der Stadt, das einen bürgerlichen, aufgeklärten, modernen, liberalen und urbanen Lebensstil lebt, nicht der pinken Neuerfindung Neos oder aber den Grünen, die schon lange in diesem Rayon erfolgreich wildern, überlassen will. Sonst hat sie sich selbst überlebt – und wird auch niemandem fehlen.

Dass Wien kein komplett verlorener Boden ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Es gab eine kleine goldene Ära. Die war bunt. Erhard Busek und die "bunten Vögel" katapultierten die ÖVP 1983 auf ein 34,8-Prozent-Allzeithoch, etwa mit der Forderung "Gärten statt Autobahnen". Macht es Klick? Da geht was! Auch für die ÖVP. Sie muss nur endlich – auch im Bund – die Zeichen der Zeit und die Lebensrealitäten der Menschen erkennen. Leben im Plural. Denn die ÖVP hat nur eine Chance: Bunt ist das neue Schwarz. (Lisa Nimmervoll, 11.10.2015)