Halb zog es ihn, halb schoben sie ihn – und am Wahlabend war dann klar: Manfred Juraczka, der seit Februar 2012 ÖVP-Chef in Wien ist, wird die Konsequenz ziehen und zurücktreten.

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Nach seiner Stimmabgabe hatte ÖVP-Landesparteiobmann Manfred Juraczka noch über das erwartete Abschneiden seiner Partei gescherzt: "Jetzt Kaffeesudlesen bringt nichts." Schon nach der ersten Hochrechnung aber war die Botschaft des schwarzen Kaffeesuds dann klar: Die Wiener ÖVP ist auf ein historisches Tief abgestürzt.

Das Endergebnis (ohne Wahlkarten) wies dann am Sonntagabend nur noch 8,7 Prozent für die Volkspartei aus. Das entspricht einem Minus von 5,3 Prozentpunkten gegenüber der Landtagswahl vor fünf Jahren und ist ein historischer Tiefststand. Damals schafften die Schwarzen in Wien noch knapp 14 Prozent.

Auf Mandate umgelegt hieße das jetzige Ergebnis, dass die ÖVP nur noch sieben Abgeordnete im Wiener Landtag beziehungsweise Gemeinderat stellen wird, sechs weniger als bisher. Ein wenig Hoffnung darf sich die ÖVP auf die Wahlkartenwählerinnen und -wähler machen. Denn sie könnten der Wiener Volkspartei noch ein zusätzliches Mandat bescheren.

Die zweite schlechte Nachricht für Manfred Juraczka und seine Mitstreiter war an diesem Wahlabend, dass sich die ÖVP in Wien erstmals hinter den Grünen auf Platz vier einreihen muss.

Dementsprechend sprach Juraczka dann auch von einem "schmerzlichen" Ergebnis und kündigte kurze Zeit später auch persönliche Konsequenzen als Reaktion auf die Wahlschlappe an. Er will zwar nicht sofort aus dem Amt gehen, da er einen "geordneten Übergang" vorbereiten wolle, sagte er. Beim Parteitag im Februar 2016 will Juraczka, der seit Februar 2012 den Wiener Ableger der ÖVP anführt, aber nicht mehr antreten. Am Dienstag wird er den Parteivorstand darüber informieren. Schon am frühen Wahlabend hatte sich Juraczka, der neben dem rot-blauen "Duell" auch die dominierende Flüchtlingsfrage mitverantwortlich machte für das Wahlergebnis, selbst nicht ganz aus der Ziehung genommen: "Ich bin Spitzenkandidat, natürlich muss es auch an mir liegen."

Das schwarze Sorgenkind

Juraczka folgte mit seiner Rücktrittsankündigung einer indirekt formulierten Forderung von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, der als unmittelbare Reaktion auf das Wien-Ergebnis eine komplette "Neuaufstellung" der Stadtpartei angekündigt hatte.

"Die ÖVP Wien ist nicht erst seit heute das größte Sorgenkind der ÖVP. Wir brauchen jetzt eine vollkommene Neuaufstellung der ÖVP Wien – sowohl personell als auch strukturell", sagte der Vizekanzler. Und er erwartet nun Folgendes: "Als ÖVP werden wir eine neue, zielgerichtete Stadtpolitik definieren müssen, wenn wir erfolgreich sein wollen." Der ÖVP-Chef betonte aber auch: "Nur der Austausch eines Spitzenkandidaten wäre eine reine Symptomkur. Es braucht eine grundlegende Neuaufstellung." (red, 11.10.2015)