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Der Preisträger mit seinem Roman

Foto: EPA/ARNE DEDERT

Frankfurt am Main – Es war eine überraschende Entscheidung der siebenköpfigen Jury (u.a. Markus Hinterhäuser), den mit 25.000 Euro dotierten Deutsche Buchpreis am Montagabend im Kaisersaal des Frankfurter Römers an Frank Witzel zu vergeben. Denn im Vorfeld der Preisverleihung waren eher Jenny Erpenbecks Flüchtlingsroman Gehen, ging, gegangen oder Ulrich Peltzers Das bessere Leben, ein großangeleges Porträt einer – auch mit der Vergangenheit – vernetzten Gegenwart favorisiert worden.

Dass nun Witzels 800 Seiten umfassender, ein Kilo schwerer Roman Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 ausgezeichnet wurde, ist eine mutige Entscheidung. Und eine richtige, denn es ist ein waghalsiges, sprachlich avanciertes Romanprojekt, das Witzel (60) mit seiner Geschichte über einen 13-jährigen Jungen in der hessischen Provinz stemmt. Pop, Politik, Paranoia und eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs thematisiert Witzel in seinem vielstimmigen Roman ebenso wie das politische Erwachen der BRD.

Dabei bedient sich Witzel – ohne chronologische Ordnung – unterschiedlichster literarischer Formen. Das Buch mit seinen zahlreichen Perspektivwechseln ist voll von Episoden, informativen Einschüben und philosophischen Abschweifungen.

"Im besten Sinne maßlos"

"Frank Witzels Werk ist ein im besten Sinne maßloses Romankonstrukt", begründete die Jury den Preis. In seiner Mischung aus "Wahn und Witz, formalem Wagemut und zeitgeschichtlicher Panoramatik" sei der Roman einzigartig in der deutschsprachigen Literatur. "Mit dem Deutschen Buchpreis wird ein genialisches Sprachkunstwerk ausgezeichnet, das ein großer Steinbruch ist, ein hybrides Kompendium aus Pop, Politik und Paranoia."

Der in Wiesbaden geborene und in Offenbach am Main lebende Witzel ist nicht nur Autor: Er ist auch als Musiker und Illustrator hervorgetreten. Mit 22 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband. 2001 erschien sein Roman Bluemoon Baby, zwei Jahre später Revolution und Heimarbeit. Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland dient Witzel als Spielwiese für oft groteske Einfälle und literarische Verschwörungstheorien.

Ab sofort, so Witzel in seiner Dankesrede, darf der zungenbrecherische Titel des Romans zu Die Erfindung abgekürzt werden. Was nötig ist, da das Buch ab sofort in aller Munde sein wird, denn der zum elften Mal vergebene Deutsche Buchpreis gilt als ein entscheidender Verkaufs-, Publizitäts- und Marketingverstärker.

Österreichischer Buchpreis?

In der Endausscheidung setzte Witzel sich gegen Jenny Erpenbeck (Gehen, ging, gegangen), Rolf Lappert (Über den Winter), Inger-Maria Mahlke (Wie Ihr wollt), Ulrich Peltzer (Das bessere Leben) und Monique Schwitter (Eins im Andern) durch. Heuer hat es kein österreichischer Autor auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft, der seit 2005 vergeben wird, mit 25.000 Euro dotiert ist und als wichtigste Auszeichnung der Branche gilt.

Nachdem selbst die Schweizer seit Jahren einen Buchpreis haben wurde gestern eine von Gustav Ernst und Gerhard Ruiss lancierte Forderung nach einem Österreichischen Buchpreis an Benedikt Föger (Hauptverband des Buchhandels), Kulturminister Josef Ostermayer und den Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny übergeben. Unterstützt wird die Initiative von zahlreichen Autoren und Journalisten, u. a. Friedrich Achleitner, Martin Pollack, Franz Schuh, Daniela Strigl. (steg, APA, 12.10.2015)