Ein Bilderbuch: "Gisele" hat 536 Seiten, ist bei Taschen erschienen und kostet stolze 500 Euro.

Cover: Taschen

Honigfarbener Teint, stolze Nase, blondes Haar, blitzblaue Augen, athletische Kurven: Gisele Bündchen, einst Victoria's-Secret-Ikone, Bikini-Model für H&M, von Designer Alexander McQueen "The Body" genannt, ist heute ein brasilianischer Exportschlager – und in etwa so bekannt wie Pelé, Ayrton Senna oder der Karneval von Rio.

Jetzt hat Gisele Caroline Nonnenmacher Bündchen, mittlerweile 35, anlässlich ihres zwanzigsten Jubiläums im Modebusiness ein Bilderbuch herausgebracht. Dass das ein Ziegel sein muss? Eh klar. Wer so lange ganz oben mitmischt, hat sich ein solch glamouröses, 300 Bilder und 536 Seiten starkes, 500 Euro teures Kompendium, versehen mit dem schlichten Titel "Gisele", verdient: Die Deutschbrasilianerin hat laut "Forbes" zwischen Juni 2014 und Juni 2015 44 Millionen Dollar erarbeitet. Damit gilt Bündchen, die in ihrer Laufbahn bereits 430 Millionen Dollar verdient haben soll, als das bestbezahlte Model der Welt. Zum neunten Mal in Folge.

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Das bestbezahlte Model der Welt beim Abschied vom Laufsteg in São Paulo im April 2015.
Foto: apa/epa/moreira

Model des Millenniums

Gisele Bündchen, vor fünfzehn Jahren von Anna Wintour zum "Model des Millenniums", vom "Rolling Stone" zum "schönsten Mädchen der Welt" gekrönt und von Claudia Schiffer als letztes verbliebenes Supermodel bezeichnet, ist mit 35 ganz oben mit dabei. Ihr Kapital? Nicht nur die athletischen Kurven. Bündchen ist 1,80 Meter groß, seit Teenagertagen High-Heel-sicher, ihre Maße? 86-61-86.

Was man der Brasilianerin nicht ansieht: Ihr Erfolg war alles andere als vorhersehbar, ihren Erfolg hat sie sich aus dem Nichts heraus erarbeitet. Im Gegensatz zu den vielen Celebrity-Ablegern, die den Einstieg ins Modelbusiness gerade ihrem Nachnamen verdanken, hat Bündchen eine fast schon altmodisch anmutende Aufsteigerkarriere hingelegt.

Die Familie ist brasilianischer Mittelstand, katholisch, bis zu Giseles Model-Durchbruch ohne Kontakte in die Welt des Glitzers und der Mode. Papa Valdir Universitätsprofessor und Buchautor, Mama Vania Bankangestellte. Gisele, als Teenager begeisterte Volleyballspielerin, Spitzname "Olive Oil", nach der langen dürren Freundin von Popeye, ist eine von sechs Töchtern.

Foto: Taschen Verlag/ Mark Seelen

Dickkopf mit langen Beinen

Allerdings die mit dem größten Dickkopf. Und die mit den längsten Armen und Beinen. Mit 14 wird Gisele von einem Agenten der Modelagentur Elite in einer Shopping Mall in der 20-Millionen-Metropole São Paulo entdeckt. Damals habe ihr das erste Mal in ihrem Leben jemand vermittelt, dass sie schön sei, erzählte sie 2009 dem Magazin "Vanity Fair".

Bündchen verwirft ihre Pläne, Profivolleyballspielerin zu werden, und legt los. Sie belegt beim nationalen Elite-Model-Nachwuchswettbewerb "The Look of the Year" den zweiten Platz, kommt bei der internationalen Schlussrunde auf Ibiza ins Finale, zieht 1996 in die 20-Millionen-Metropole São Paulo, nimmt gleichzeitig in New York erste kleinere Jobs an, bevor es sie mit 17 ganz in die US-Metropole verschlägt. 1997 läuft Gisele 42 Schauen, der Durchbruch dann bei Alexander McQueen. Den Designer, und nicht nur ihn, beeindruckt die 17-Jährige mit ihrem Lauf während seiner legendären "Rain"-Show: Von oben tropft es, Gisele Bündchen bewegt sich auf ihren High-Heels sicher über den nassen Boden. Und das mit nacktem Oberkörper.

Bündchen, so scheint es, lässt sich durch nichts aufhalten. Ihr athletischer Typ ist Ende der Neunziger gefragt. Die Brasilianerin erobert in den folgenden Jahren mit Kurven und Brüsten die internationalen Laufstege und die Titel der Magazine. Im Dezember 1998 titelt das britische Magazin "I-D" mit "A Girl Called Gisele", im Sommer 1999 reckt dieselbe Gisele den Leserinnen der französischen "Vogue" auf dem Cover ihren Nabel entgegen. Der Lauf nimmt kein Ende. 1999 kürt sie die amerikanische "Vogue" zum Model des Jahres, im November landet sie auf dem Titel der Millenniumsausgabe.

Frau mit Reptil: Dieses Foto von Gisele Bündchen entstand 2005 für das "W-Magazin" und wurde von Juergen Teller geschossen. Es ist bei Taschen auch als Art-Edition zu kriegen.
Foto: Juergen Teller

Der Fotograf Irving Penn, damals bereits in seinen Achtzigern, fotografiert die 19-Jährige splitterfasernackt: lange Mähne, Po in Szene gesetzt, Hand in der Hüfte. Das Bild soll eine neue Ära einleiten, es erscheint unter dem Titel "Die Rückkehr der sexy Models". Wenn man so will, erzählt dieses Foto, das es auch auf die Titelseite ihres Buchs geschafft hat, die Image-Werdung der 19-jährigen Gisele, die die Modewelt von Horizontina aus eroberte, jener südbrasilianischen Kleinstadt, wo es "keine Ampeln, kein Kino, rein gar nichts" gab, wie sie in Interviews immer wieder erzählt.

Bündchen wird als geschmeidige Antithese zum Heroin Chic, der knöchernen Sexyness und den Augenringen der drogengeschwängerten Neunzigerjahre inszeniert. Die haben 1993 mit Kate Moss in einer Calvin-Klein-Kampagne ihren Anfang genommen und kommen 1997 mit dem Drogentod des 20-jährigen Fotografen Davide Sorrenti zu einem Ende. Jetzt ist Raum für eine Gisele Bündchen, die nicht nur gesund aussieht, sondern tatsächlich ihre Finger von den Drogen lässt. Und ihre sportliche Seite nie vergisst.

Bündchens Stärke: ein geschmeidiger Körper, der aussieht, als sei er für nicht mehr als Bikini und Unterwäsche gemacht. Dem amerikanischen Unternehmen Victoria's Secret entgehen Körper und Hüftschwung der Bündchen nicht. Im Jahr 2000 schließt die Brasilianerin einen rekordverdächtigen 25 Millionen-Dollar-Deal mit dem Unterwäschelabel ab, sieben Jahre hält diese Verbindung. Solche Großaufträge machen die Brasilianerin dem Mainstream bekannt.

Arbeit, Arbeit, Arbeit

Doch all der Erfolg hat seine Schattenseiten. Zwischen 16 und 23 habe sie an 365 Tagen im Jahr gearbeitet, erzählte Bündchen unlängst dem "Stern". Einziger Konstant in ihrem Leben sei damals ihr Hund, der sie überallhin begleitet habe, gewesen. Heute ist das anders. Hunde spielen in Bündchens Leben zwar immer noch eine Rolle, doch das Model, das einst an der Seite von Leonardo di Caprio für Schlagzeilen sorgte, führt ein vergleichsweise skandalfreies, unaufgeregtes Leben.

Seit sechs Jahren ist sie mit Tom Brady, dem Quarterback bei den New England Patriots, verheiratet und hat zwei Kinder. Und das Bündchen-Business rennt. Zwar hat sich die Brasilianerin in diesem Frühjahr während der São Paulo Fashion Week tränenreich vom Laufsteg verabschiedet. Doch das tut wenig zur Sache. Die Frau, die sich innerhalb von zwanzig Jahren zu einer Marke gemacht hat, ist imstande so ziemlich alles zu verkaufen: niedrigpreisige Mode für C&A, Spitzenwäsche ihres eigenen Labels "Gisele Bündchen Intimates", Schmuck, Sandalen für das brasilianische Unternehmen Ipanema.

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Tom Brady und Gisele Bündchen beim Metball 2014.
Foto: apa/epa/lane

Mit der jungen Konkurrenz, der Model-Generation Instagram, nimmt sie es locker auf. Und das, obwohl sie es mit hyperventilierenden Social-Media-Stars à la Kendall Jenner, die ihre Modelaufträge ihren 38,6 Millionen Followern zu verdanken hat, zu tun hat. Zwar bestückt Bündchen wie das Gros der Profimodels auf Instagram auch einen Account.

Doch die 6,4 Millionen Abonnenten werden statt mit Schnappschüssen mit wohlüberlegt aufbereiteten, ziemlich braven Bilderbuchfotos versorgt. Sie erzählen von dem vorbildlichen Leben eines geerdeten Supermodels: von Bündchens Umweltengagement, ihren Kindern, dem aktuellen Cover der französischen "Vogue" mit Gisele in weißer Unterhose.

Ein aktueller Instagram-Eintrag, Gisele Bündchen beim Restlessen.

Künstliche Aufregung und das große Drama hat die Bündchen auch gar nicht nötig. Was ihre Einkünfte angeht, verweist sie jede Konkurrenz in ihre Schranken. Cara Delevingne, die Zweitplatzierte auf der diesjährigen "Forbes"-Liste, war zuletzt ohne Zweifel gut im Geschäft. Die Zahlen sprechen allerdings eine klare Sprache. Die Bündchen hat fast fünf Mal so viel wie die Britin Delevingne verdient. (Anne Feldkamp, RONDO, 16.10.2015)

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