Wien – Die SPÖ profitierte bei der Wien-Wahl vor allem bei Nicht-Stammwählern vom "Anti-Strache"-Effekt, die Zugewinne der FPÖ ließen sich hingegen nicht nur auf das Asylthema zurückführen, wie eine Befragung zu den Motiven der Wähler ergab. Die Wahl in Oberösterreich habe zudem als "Verstärkereffekt" gedient, wie Meinungsforscher Franz Sommer (Arge Wahlen) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz erklärte.

1.500 Wähler wurden wenige Tage vor der Wien-Wahl befragt. SPÖ-Wähler gaben dabei vor allem an, die Bürgermeisterpartei aufgrund ihrer guten Arbeit für Wien zu wählen (45 Prozent). Aber schon das zweistärkste Motiv für eine SPÖ-Stimme sei gewesen, dass man Heinz-Christian Strache und die FPÖ als stärkste Kraft verhindern wolle, so Politikwissenschafter Fritz Plasser bei der Präsentation der Studie. Ein Viertel der SPÖ-Wähler gab eine "Anti-Strache"-Haltung als Grund an, bei Nicht-Stammwählern waren es sogar 37 Prozent.

"Zeitliches Ablaufdatum"

Bei einer Stimme für die Grünen rangiere die Verhinderung von Strache allerdings nur an sechster Stelle, was nahelege, dass Grünwähler, die die FPÖ nicht an erster Stelle sehen wollten, diesmal ihr Kreuz bei der SPÖ gesetzt hätten. Von anderen Parteien und aus der Gruppe der Nichtwähler habe die SPÖ diesmal ebenfalls aus diesen Gründen Stimmen erhalten. Auch wenn er den Begriff "taktisches Wählen" den "Leihstimmen" vorziehen würde: "Es ist klar, dass diese Stimmen ein zeitliches Ablaufdatum haben und in einer ganz speziellen Situation vergeben wurden. Bei der nächsten Wahl werden sie vermutlich auf das Konto einer anderen Partei gehen", erklärte Sommer.

Die Wahl in Oberösterreich mit den starken Zugewinnen für die FPÖ habe dabei "Verstärkereffekt" gehabt. Die Bundespolitik habe ebenfalls – zumindest indirekt – Einfluss auf der Ergebnis der Wien-Wahl gehabt und diese überschattet, konstatierten die Wissenschafter. Denn zwei Drittel der Befragten zeigten sich mit der rot-schwarzen Regierungsarbeit eher oder sogar sehr unzufrieden. Statt mit einem "Landeshauptmannbonus" wie in vergangenen Jahrzehnten müssten regierende Parteien nun mit Abschlägen rechnen, so Plasser. Denn die bundespolitische Stimmung sei kaum von Landtagswahlen zu trennen.

Sachmotive für Grünwähler

Den Zugewinn der FPÖ könne man hingegen nicht nur monokausal mit der Flüchtlingsthematik erklären, betonte Plasser. Denn zwar sei mit 40 Prozent die "richtige Position der FPÖ in Asyl- und Ausländerfragen" das stärkste Wahlmotiv gewesen, aber schon an zweiter Stelle steht mit 39 Prozent der Wunsch, dass die "FPÖ zeigen soll, was sie kann". Beinahe ebenso stark ist Motiv Nummer drei, nämlich "gegen die rot-grüne Stadtregierung in Wien" zu stimmen, mit 38 Prozent (mehrfache Antworten waren möglich).

Grünwähler entschieden sich diesmal hingegen vor allem aus Sachmotiven für ihre Partei: Mit 54 Prozent rangiert die "Umwelt-, Verkehrs-. Bildungs- und Sozialpolitik der Grünen" ganz oben auf der Liste der Entscheidungsgründen. Mit Abstand folgen die "gute Arbeit für Wien" und – nur ein Viertel der Grünwähler gab das an – die "richtige Position in der Asylfrage". Der ÖVP trauten 30 Prozent bessere Wirtschaftskompetenz zu, ein Viertel der ÖVP-Wähler sah die Stadtschwarzen als "das kleinste Übel". Die Neos wurden aufgrund der geringen Wählerzahl nicht erhoben.

Flüchtlingsthema polarisierte

Dennoch sei es vor allem das Flüchtlingsthema gewesen, das die Wiener Wählerschaft polarisiert und spaltet: Jeweils circa die Hälfte der Wähler ist der Meinung, Österreich könne noch mehr Flüchtlinge aufnehmen bzw. Österreichs Möglichkeiten in der Asylfrage seien bald erschöpft. Diese Einstellung schlägt sich auch im Wahlverhalten nieder: 80 Prozent der Grünwähler sind der Meinung, Österreich kann sich um mehr Flüchtlinge kümmern, 64 Prozent der Neos-Wähler, 55 Prozent der SPÖ-Wähler sowie 53 Prozent der ÖVP-Wähler glauben das ebenfalls. Allerdings teilen nur zwei Prozent der Menschen, die ihr Kreuz bei den Freiheitlichen setzen, diese Ansicht. Junge Wähler sprechen sich eher für mehr Flüchtlingshilfe aus als ältere.

Anhand dieser und einiger anderer Fragen – etwa nach Grenzzäunen – legten die Meinungsforscher drei Typen von Wählern und ihren gerundeten Anteil in der Wiener Bevölkerung fest: Die "generell Aufnahmebereiten" (43 Prozent), die "kontrolliert Aufnahmebereiten" (26 Prozent) sowie die "Restriktiven" (30 Prozent). Bei dieser Wahl entschieden sich "generell Aufnahmebereiten" vor allem für die SPÖ (56 Prozent) und die Grünen (22 Prozent). Die "Restriktiven" kreuzten dagegen fast zu einem Dreiviertel die FPÖ am Stimmzettel an.

"Die Motiverhebung zeigt eine erhebliche und außergewöhnliche Spaltung und Polarisierung der Gesellschaft", so Plasser. Das politische Wien sei eine "soziokulturell zweigeteilte Stadt", in der die Kommunikation und Integration zwischen diesen beiden Polen immer schlechter funktioniere. "Das Wahlverhalten klafft regional – also etwa zwischen Flächenbezirken und innerstädtisch – so stark auseinander wie in keinem anderen Bundesland", meinte Sommer. (APA, 14.10.2015