Was wurde in den vergangenen Monaten alles über Hillary Clinton verbreitet: Sie sei zuweilen schrill, nicht mütterlich genug und wirke wie ein von Wahlstrategen betriebener Roboter, der nicht in direkten Kontakt mit den Bürgern treten könne und durch eine breitgetretene E-Mail-Affäre äußerst verwundbar sei. Unbedarfte hätten beinahe glauben können, es sei bald vorbei mit ihrer Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei.

Tatsache ist, dass Senator Bernie Sanders' Kampagne derzeit mehr politischen Schwung hat. Tatsache ist aber auch, dass Clinton nach wie vor diejenige ist, die es zu schlagen gilt. Das hat sie bei dieser ersten TV-Debatte in einem noch lang dauernden Vorwahlkampf eindrucksvoll unter Beweis gestellt – und nebenbei Vizepräsident Joe Biden signalisiert, dass er es sich noch einmal überlegen möge, ob er in den Ring steigen oder sich doch lieber aufs politische Altenteil zurückziehen will.

Wie immer in amerikanischen Vorwahlen haben Kandidaten, die extremere und populistische Positionen besetzen, einen zeitweiligen Vorteil. Die Frontrunner müssen mitziehen und, sobald sie die Nominierung in der Tasche haben, wieder in die Mitte zurückrudern. Dem Republikaner Mitt Romney ist das zuletzt zum Verhängnis geworden. Aber, wie gesagt, das Rennen dauert noch lang, und Clinton ist unter den demokratischen Bewerbern mit Sicherheit diejenige mit der größten politischen Kondition. (Christoph Prantner, 14.10.2015)