Geht der Sturz der Denkmäler des internationalen Fußballfunktionärswesens so munter weiter wie bisher, gerät noch Österreichs Verbandschef Leo Windtner in die Verlegenheit, als Anwärter auf höchste Ämter genannt zu werden. Nach Michel Platini droht den Europäern, die sich eingedenk ihrer spielerischen und finanziellen Potenz in der Fußballwelt ohnehin schwer unterrepräsentiert fühlen, auch in Wolfgang Niersbach ein Anwärter auf die Nachfolge von Fifa-Boss Joseph S. Blatter abhandenzukommen. Schließlich soll der Chef des Deutschen Fußballbundes zumindest davon gewusst haben, dass die WM 2006 mittels Korruption an Deutschland ging – mutmaßlich, wie festzuhalten ist. Weshalb ja auch für alle in der vom Spiegel lancierten Geschichte vorkommenden Personen die Unschuldsvermutung gilt.

Guido Tognoni, einst ein enger Mitarbeiter und Vertrauter Blatters, heute ein recht glaubwürdiger Kritiker dessen Systems, vermutet, dass Niersbach und Kollegen bewusst "angezündet" wurden. Tognoni nannte im Aktuellen Sportstudio des ZDF den ehemaligen DFB-Chef Theo Zwanziger, der nicht als Niersbach-Freund bekannt gewesen sei. Dessen Wirken wird ebenso schwer restlos zu beweisen sein wie die Spiegel-Story insgesamt. Es ist aber ein Kennzeichen des Zusammenbruchs, dass bei Gelegenheit noch schnell alte Rechnungen beglichen werden. Das ist nicht schön, kann aber sehr aufschlussreich sein. (Sigi Lützow, 19.10.2015)