In Isiah Medinas Essay überlagern sich die Bildoberflächen zu immer verblüffenden Skulpturen jugendlicher Gemeinsamkeit.

Foto: Viennale

"There is no reason. There is no justice. Just us." Keine Vernunft, keine Gerechtigkeit, nur ein Gemeinschaftssinn und die Selbstvergewisserung durch Freundschaften. Das sind ein paar zentrale Stichwörter für den Debütfilm 88:88 des jungen Kanadiers Isiah Medina, dem man ob dieser so gedankendichten wie poetischen Arbeit schon als Wunderkind bezeichnet hat.

Aus Video, Super-8-Aufnahmen und Handybildern gewoben, wirkt der Film auf den ersten Blick wie eine wilde Mischung aus Godard'schem Essay und Hip-Hop-Tagebuch, mit dem er einem losen Verbund Gleichaltriger in seinem Heimatort Winnipeg zum Ausdruck verhilft. Wobei Ausdruck, gegenläufig zu gängigen erzählerischen Strategien, in einem rohen, ungefilterten und zugleich hochreflexiven Sinn gemeint ist. Die Schnittfrequenz erlaubt zwischen den Bildern (und den Sound-Elementen) keine linearen Zusammenhänge mehr, sondern sucht die Unterbrechung, den abrupten Wechsel und damit die Erfahrung von Freiheit. Nichts ist vorherbestimmt.

Schon der Titel 88:88 beschwört das Intervall – er zielt auf jene Nullanzeige bei Digitaluhren, die sich einstellt, wenn diese nach Unterbrechungen wieder in Gang kommen. Der Zeitraum dazwischen sei jener, so Medina, der für Menschen am Rande der Gesellschaft den Normalzustand darstellt. Leben in der Suspension – einer der Begriffe, die auch in den philosophischen Off-Gesprächen wiederholt vorkommen.

Doch man muss den Film nicht mit Alain-Badiou-Lektüre im Gepäck besuchen. Man kann sich auf das einmal erhellende, dann wieder verrätselte Spiel mit Bedeutungen, Bildern und Texturen auch wie auf eine Ode einlassen, in der eine neue Generation mit verblüffenden Vorbildern bisherige Darstellungsmodelle verwirft. (Dominik Kamalzadeh, 21.10.2015)