Die gute Nachricht zuerst: Auch in Polen wird nicht so heiß gegessen wie gekocht. Auf die Verdauung des Wahlergebnisses vom Sonntag dürfte sich das positiv auswirken. Die rechtsnationale Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wird in der Regierung ihre raue Rhetorik zurückfahren und innen- wie außenpolitisch vorsichtig agieren müssen. Das Land, das sie übernimmt, hat zwar mit Strukturproblemen und Misstrauen gegenüber der politischen Kaste zu kämpfen, liegt aber keineswegs in Trümmern, wie die PiS gerne behauptet. Eher schon würde die Umsetzung der eigenen Wahlkampfversprechen Polen an den Rand des finanziellen Abgrunds treiben.

Spielräume bieten

In der EU hat Polens Gewicht zuletzt zugenommen – auch das ein Gut, das die neue Regierung nicht allzu leichtfertig aufs Spiel setzen wird. Die Verankerung im Weimarer Dreieck mit Deutschland und Frankreich sowie die Zusammenarbeit mit Tschechien, Ungarn und der Slowakei in der Visegrád-Gruppe sollten angesichts aktueller Herausforderungen wie Flüchtlingskrise oder Klimawandel auch für eine PiS-Regierung Spielräume bieten.

Parteichef Jaroslaw Kaczyński und seine Spitzenkandidatin Beata Szydlo dürfen weder die europäischen Partner noch die relativ breite liberale Mittelschicht in Polen – aus der die PiS diesmal viele Stimmen bekam – verprellen. Trotz radikaler Wahlkampftöne wäre Angst vor der neuen Führung in Warschau daher ein schlechter Ratgeber. (Gerald Schubert, 27.10.2015)