Eine aktuelle "Navitimer" von Breitling.


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Die Fliegeruhr Edition "Le Petit Prince" von IWC Schaffhausen.

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Ein Brummer: die "Pilot Type 20 Extra Special" von Zenith in Bronze.

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Der Fliegerchrono "103 A Sa B" von Sinn Spezialuhren.

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Sie zittern, rauchen, stinken, brüllen. Und manchmal brennen sie auch: Das Anstarten der vier Propellermotoren der Super Constellation ist ein Erlebnis. Vor allem wenn man das Glück hat, mit an Bord sein zu dürfen und das Schauspiel von drinnen beobachten kann.

Eine seltene Gelegenheit. Denn weltweit gibt es nur noch zwei flugtüchtige Exemplare der "Super Connie", mit der ihr Hersteller Lockheed einst den Langstreckenflugverkehr revolutionierte. Ihre kurze Blütezeit hatte die Luftfahrtlegende mit der markant-eleganten Form bereits in den 1950ern. Dann kamen die Düsenjets.

2.000 Liter Benzin, 36 Liter Öl

Das Exemplar aus dem Jahr 1955, in dem wir sitzen, wurde von Liebhabern restauriert. Eine kostenintensive Angelegenheit: "Ein Motor zum Beispiel kostet 250.000 Euro", erzählt Rolf Harlacher, einer der beiden Piloten. Auch der Betrieb ist nicht billig: 2.000 Liter Benzin und 36 Liter Öl schluckt die Maschine pro Flugstunde, zählt Harlacher auf. Hinzukommt die zeitintensive Wartung des fliegenden Oldtimers: 10.000 Mannstunden für 50 Flugstunden.

Sponsoren wie Breitling sind da hochwillkommen. Der Luxusuhrenhersteller setzt sich für den Erhalt des aeronautischen Kulturerbes ein. Schon 1936 lieferte das Unternehmen Chronografen und Cockpituhren an die britische Royal Air Force. Nach dem Krieg zählte auch Lockheed zur Kundschaft. Und so steht "Breitling" auf dem Rumpf dieser "Super Connie". Summen werden nicht genannt.

Rechnen und schieben

Die Oldtimermaschine hebt ab. Es ist laut, Fliehkraft und Luftdruckveränderungen sind unmittelbarer zu spüren als in modernen Flugzeugen. Im Cockpit ist von Computern keine Spur. Früher mussten sich die Piloten auf ihre analogen Instrumente verlassen. Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass der 1952 von Breitling entwickelte Chronograf "Navitimer" vom Stand weg zum Erfolg wurde. Denn der Zeitmesser kam mit Zusatzfunktionen daher, die dem Profi nicht nur die Zeitnahme in Stunden, Minuten und Sekunden ermöglichte.

Die "Navitimer" (ein Kunstwort aus "Navigation" und "Timer") war darüber hinaus am Rand des Zifferblatts mit einem Rechenschieber ausgestattet. Dieser bestand aus einer beweglichen äußeren, mit Gradeinteilungen versehenen Skala, die mittels Drehung der Lünette bedient werden konnte. Sie ermöglichte es, während des Flugs beispielsweise den Treibstoffverbrauch im Verhältnis zur zurückgelegten Flugstrecke zu berechnen. Noch heute ist dieses Modell ein Bestseller – nicht nur bei Piloten.

Aber vor allem bei Männern.

Wie die Fliegeruhr überhaupt. Oder um es noch weiter zu fassen: die Armbanduhr. Denn bevor es Fliegeruhren gab, war die Armbanduhr der Frau überlassen. Mann hatte Taschenuhr zu tragen. Das änderte sich, als die ersten Flugpioniere auf die beim Fliegen weitaus praktischeren Armbanduhren setzten. Interessanterweise hängt der Anfang der Fliegeruhr mit einer Marke zusammen, die man heute eher weiblich konnotiert: Cartier.

Pioniergeist und Heldentum

Es war 1906, als der französische Uhrenhersteller die erste Fliegeruhr baute, die "Cartier Santos". Angestoßen hatte sie der brasilianische Flugpionier Alberto Santos Dumont. Der klagte über seine Uhr, die sich während des Fliegens nur schwer aus seiner Tasche nesteln ließ. Die "Santos" war robust konstruiert, trug römische Ziffern, hatte zwei Zeiger und eine griffige Krone, um sie auch mit Handschuhen bedienen zu können, und war mit Lederriemen am Arm des Trägers befestigt. Eigenschaften, die im Wesentlichen noch heute diese Gattung auszeichnen: guter Halt am Handgelenk, eine speziell gekennzeichnete 12-Uhr-Position, schnelle Ablesbarkeit durch hohen Kontrast, später kamen (radioaktive) Leuchtziffern hinzu.

Vorschub leisteten der Entwicklung der Fliegeruhr – und ihrem Mythos – auch Pioniere wie Charles Lindbergh, der 1927 den Atlantik im Alleinflug überquerte. Er bestimmte seine Position mit dem Tachometer seines Flugzeugs, einem Kompass und seiner Taschenuhr. Später entwarf er mit Longines eine eigene Stundenwinkeluhr. 1987 hat die Marke die "Lindbergh-Uhr" wiederbelebt.

Lebendiger Mythos

Die Weltkriege taten ihr Übriges. So trugen die Kampfpiloten des Zweiten Weltkriegs erstmals besonders große Fliegeruhren (55 Millimeter aufwärts), deren Werke schon damals in einem Weicheisenkäfig verbaut waren, um sie vor Magnetismus zu schützen. IWC Schaffhausen zum Beispiel belieferte die britische, Wempe, A. Lange & Söhne oder Stowa die deutsche Luftwaffe mit besonders robusten Zeitmessern.

Obwohl in der modernen Luftfahrt keine Notwendigkeit für die analoge Zeitmessung am Handgelenk mehr besteht, lebt der Typus Fliegeruhr im Zeitgeist und dank geschickten Marketings – Freiheit! – munter weiter. Auch entwickelten einzelne Marken einen gewissen Ehrgeiz darin, die Uhrengattung voranzubringen. Breitling fertigt seit 2009 eigene Werke, IWC arbeitet mit widerstandsfähigem Keramik und Titan im Gehäusebau. "Newcomer" wie Bell & Ross haben sich mit ihren quadratischen Uhren, die von Cockpitinstrumenten inspiriert sind, quasi eine Nische geschaffen.

Bei der technischen Weiterentwicklung der Fliegeruhr muss die Firma Sinn Spezialuhren aus Frankfurt am Main erwähnt werden. Gemeinsam mit der FH Aachen entwickelte man einen Standard für Fliegeruhren. Daraus wurde die DIN 8330, die genau definiert, was eine Fliegeruhr (analog zur DIN 8306 für Taucheruhren) aushalten muss, um so bezeichnet werden zu dürfen. (Markus Böhm, RONDO, 29.10.2015)