Dimitris ist gebürtiger Grieche, lebt nun in Linz und besucht die Goetheschule. Deutsch spricht der Volksschüler gerne und gut – auch in der Pause und ohne je die politische Verordnung gelesen zu haben.

Werner Dedl

Für Schuldirektor Wolfgang Haas ist die Deutschpflicht in der Pause eine "absoluter Nonsens".

Werner Dedl

Linz – Wolfgang Haas entspricht so gar nicht dem klischeehaften Erscheinungsbild eines Volksschuldirektors: schwarze Lederjacke, Bikerboots, Jeans, das Haupthaar zumindest teilweise auf Schulterlänge. Würde der Mann jetzt spontan eine Gibson Explorer aus dem Schrank mit der großen Stundenplantafel holen – man würde wohl nur denken "Ja, passt".

Haas ist ein spezieller Typ – muss man wohl auch sein, wenn man seiner Meinung nach einer "Spezialschule" vorsteht. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund liegt in der VS8 Goetheschule im Linzer Neustadtviertel bei 100 Prozent. Vor zwölf Jahren waren 60 Prozent noch österreichische Kinder. "Aber das hat rapide abgenommen. Heute haben wir 175 Kinder aus 26 verschiedenen Nationen. Unzählige Sprachen und viele Religionen sind unter einem Dach vereint", erzählt Haas im STANDARD-Gespräch.

Muttersprachliche Rechte

Vor diesem Hintergrund hat auch die Goetheschule jüngst die Kunde erreicht, dass die neue schwarz-blaue Regierung den oberösterreichischen Schulen ein Deutsch-Diktat auferlegt: Die Schulsprache muss, laut dem "Arbeitsübereinkommen" von ÖVP und FPÖ, Deutsch sein. Vor allem die Bilingualität in den Pausen stößt der neuen Regierung offenbar sauer auf. Der Einwand des Bildungsministeriums, dass der Passus schlicht im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention und zur Verfassung stehe, lässt die Landesebene bislang kalt.

Für Direktor Haas ist die politische Maßnahme ein "unglaublicher Nonsens". So eine Maßnahme hätte "null an integrativem Nutzen" und würde sich vor allem im Schulalltag gar nicht umsetzen lassen. Haas: "Sitzt dann bei mir im Konferenzzimmer die Sprachpolizei, die in den Pausen ausschwärmt? Die Kinder an meiner Schule vereint und verbindet die deutsche Sprache. Aber auch die vielen Muttersprachen sind ein Instrument der Interkulturalität und Integration. Die Schüler werden bei uns unterstützt und ermutigt, die Mehrsprachigkeit zu leben und dieses intellektuelle Potenzial zu nutzen."

Aus den Klassenzimmern drängen inzwischen die Schüler auf den langen Gang. Das Gewusel ist nach einer Stunde Rechnen entsprechend groß. Begibt man sich kurz auf Kinderniveau und wählt einen freien Platz am Jausentisch, wird schnell eines klar: Hier braucht man keinen Dolmetscher. Die großen Themen der Kleinen werden ausschließlich auf Deutsch abgehandelt. "Es ist die einzige Sprache, die hier im Haus jeder kann – und versteht", erzählt Direktor Haas.

Monolinguale Bedenken

Auch in der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich sorgt die Deutsch-Verordnung für Kopfschütteln. "Mit politisch-provinziellem Denken versucht man, sich zu profilieren. Und erkennt die Ressourcen nicht. Sprachwissenschafter sagen klar, dass das Beherrschen der Familiensprache der ganz große Vorteil für den Erwerb einer Zweitsprache ist", kritisiert Vizerektor Josef Oberneder. Dazu kommt, dass Strafe ohnehin ein "ganz schlechter Lehrmeister" sei.

Oberneder: "Keiner stellt Deutsch als Unterrichtssprache infrage. Aber wir haben es mit einer internationalen Normalität zu tun, Menschen wachsen multilingual auf. Und dann formulieren wir eine monolinguale Zugangsweise. Bildungssysteme gehören transnational diskutiert. Und wir diskutieren territorial. Eigentlich unfassbar. Die kognitive Schlichtheit der Politik schockiert." Wichtiger wäre es, Pädagogen im Umgang mit multilingualem Lernen zu schulen.

An oberster Schulstelle kann man hingegen die Kritik nicht nachvollziehen. Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer hält den Passus im schwarz-blauen Pakt für "vollkommen richtig". Das Ziel der Politik, dass in den Schulen nur Deutsch gesprochen wird, könne er "nur unterstreichen". Enzenhofer: "Die Muttersprache kommt dadurch sicher nicht zu kurz. Oder glauben Sie, dass die daheim in der Familie Deutsch reden? Leider nicht."

Kommunikation sei aber eben nur in einer Sprache möglich. Enzenhofer: "Natürlich schreien jetzt wieder alle auf. Aber es geht dabei nicht um Strafen oder Sanktionen. Wenn wir die Pädagogik auf Strafen aufbauen würden, hätten wir schon längst verloren." Dem verfassungsrechtlichen Einwand des Bildungsministeriums widerspricht der Präsident: "Also ich hab aus Wien eine andere Information bekommen."

Blaue Konsequenzen

Auch von politischer Seite plant man nicht, vom Pausen-Deutsch abzurücken. FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner: "Schon öfter haben sogenannte Experten behauptet, dass die eine oder andere FPÖ-Forderung nicht umsetzbar wäre. Im Nachhinein stellt sich dann heraus, dass die FPÖ recht behalten hat."

In den Schulen gebe es vielfache Verhaltensregeln, die von Schülern einzuhalten sind und die andernfalls Konsequenzen nach sich ziehen. "Ob das in Form eines Klassenbucheintrages oder eines Gesprächs mit den Eltern ist, schreibt nicht die Landesregierung den Schulen vor", ist Haimbuchner überzeugt. (Markus Rohrhofer, 31.10.2015)