"Wenn ich als Person nicht im Vordergrund gestanden bin, ist erst der Fluss gekommen", sagt Wolfgang Puschnig, der im Mai seinen 60. Geburtstag feiert.

Foto: Gerhard Maurer

Wien – "Es sind weit entfernte Planeten, aber warum soll man sie nicht einmal in ein Sonnensystem stecken und schauen, wie sie tun?", sagt der Jazzmusiker Wolfgang Puschnig. Die Planeten, das sind das Vokaltrio Insingizi aus Simbabwe und der Kärntner Männerchor Schnittpunktvokal. Im Jänner werden sie im Konzerthaus, mit einem Trio um Puschnig als Bindeglied, zum Gesamterlebnis verschmelzen.

Anlass für die Planetenbewegung ist der im Mai stattfindende Sechziger des umtriebigen österreichischen Saxofonisten und Flötisten, das Konzert Teil einer vierteiligen Geburtstagsreihe. Unter dem Motto Sources ruft Puschnig Kombos respektive Musiker zusammen, die ihn geprägt haben. Erfahrungswerte gibt es aber nur teilweise. Etwa wenn er heute Abend mit der Philly Connection, u. a. mit seinem langjährigen Wegbegleiter Jamaaladeen Tacuma am Bass, den entgrenzenden Geist des großen Ornette Coleman beschwört. Oder wenn er zum eigentlichen Geburtstag im Mai das in den 1980ern gegründete Projekt Korean Spirit neu zusammenführt.

Songlines – a vocal world im Jänner ist hingegen ein Experiment. Eine besondere Stellung dürfte das afrikanisch-kärntnerische Gipfeltreffen aber auch insofern einnehmen, als Puschnig ein ausgeprägtes Faible für Stimmen hat. Auch wenn er selbst als Bläser "noch halbwegs knapp dran ist" an der menschlichen Urausdrucksform – im nächsten Leben würde er sich vermutlich für Gesang entscheiden: "Jede Stimme ist eine Welt für sich, mehrere zusammen eine Galaxie an Klangschattierungen."

"Du kannst gar nicht anders"

Planeten, Welten, Galaxien: Darf man angesichts dieser Metaphorik fragen, wie es Wolfgang Puschnig eigentlich mit der Verbindung zum Universum hält? "Wir leben ja in einem!", erklärt er diese Sprachbilder schmunzelnd. Aber mit Spiritualität habe er nur bedingt etwas am Hut. "Musik passiert natürlich auf einer Ebene, die vom Alltag abgehoben ist, und ich gebe mich da gerne persönlichen Betrachtungen hin. In die Jazzmetaphysik habe ich mich aber nie reingestrickt." Lieber beschäftige er sich mit der "Ausführung von Klängen", dem "Ausdrücken von Gefühlen". Die Spiritualität stelle sich dann ja mehr oder weniger eh von selbst ein. "Sie findet automatisch statt. Du kannst ja gar nicht anders."

Und weil er Dinge gerne auf sich zukommen lässt, ist er im improvisationslastigen Jazz gut aufgehoben. "Beim Komponieren kannst du jederzeit was ändern, das würde mich wahnsinnig machen, das derschaffert ich nicht." Das Improvisieren hingegen "machst du, und das ist es dann".

Diese Haltung hat in sechs Jahrzehnten Puschnig viel Schönheit hervorgebracht, unzählige Brücken geschlagen. Lyrikvertonungen für Ernst Jandl hat er ebenso gespielt wie Kammerjazz mit Violinist Mark Feldman. "Mein Gott, was habe ich alles gemacht!", denke er sich indes nie. "Ich komme ja gar nicht zum Reflektieren. Und ich hoffe, das bleibt auch so."

"Mein Notenverbrauch ist gesunken"

Andererseits sieht er seine Entspanntheit auch als Alterserscheinung. Wenn er sich durch seinen Katalog von Aufnahmen hört, stellt er fest, dass die "Angst vor Fehlern, das Bedürfnis, irgendwem was beweisen zu wollen, zurückgegangen sind". Virtuosität diene heute weniger der Notendichte als den Feinheiten eines vielgelobten Sounds: "Mein Notenverbrauch ist gesunken."

Rückblickend habe ihn die Musik aber noch eines gelehrt: "Ich habe gemerkt, dass, wenn ich als Person nicht im Vordergrund gestanden bin, erst der Fluss gekommen ist." Beim Quartett Homegrown etwa – ebenfalls Teil der Reihe – sei es nicht so wichtig, dass sein Sound "heraussticht oder strahlt". Generell sei man selbst oft wesentlich "weniger wichtig, als man annimmt", schmunzelt Puschnig voller Understatement.

Wobei das Vertrauen, dass das musikalische Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile, nur eine Seite ist: Vor einigen Jahren sei er einmal aus gesundheitlichen Gründen vor einem Konzert ausgefallen. "Und was war? Natürlich ist es trotzdem gegangen! Es hat halt wer anderer gemacht. Seither sehe ich das recht entspannt." (Roman Gerold, 6.11.2015)