Wien – Hochdramatisch endete der Liederabend von Nina Stemme im Großen Musikvereinssaal: Hierfür wählte der schwedische Opernstar einige (schwedische) Lieder von Jean Sibelius, bei denen sie ihren stimmlichen Turbo voll zünden konnte: Bei Var det en drôm? ,Sibelius' op. 37/4, wird etwa ein Heckenröslein in einer bombastischen Klangverpackung verschenkt.

Sattes Pathos hatten zuvor auch schon zwei der drei Lieder von Nadia Boulanger geboten, Soir d'hiver und Was will die einsame Träne: Letztere zerfloss mit grandiosem Aplomb à la Tschaikowski. Berührender gerieten die drei Lieder von Boulangers Schwester Lili, etwa Attente. Für ihr Tristan-nahes Si tout ceci n'est qu'un pauvre rêve hätten seinerzeit aber wohl noch Tantiemen an die Wagners gezahlt werden müssen.

Kleinste Wünsche und Begeisterung

Apropos Wagner: Dessen in jeder Hinsicht fantastische Wesendonck-Lieder und einige ausgewählte Lieder von Johannes Brahms bewältigte Stemme souverän. Der kraftvolle, aber in allen Registern rund und ausgewogen timbrierte Sopran der 52-Jährigen zeigte sich frei von Verschleißerscheinungen. Lediglich im Bereich des endlosen Atems und der zart schwebenden Pianissimi blieben kleinste Wünsche offen.

Daniel Barenboim musizierte mit Stemme mit der Entspanntheit desjenigen, der sechs Jahrzehnte vorwiegend auf Konzertpodien verbracht hat. Dieser emotionale Reichtum, diese Nuanciertheit im Spiel: wundervoll. Auf zwei Zugaben von Sibelius und Weill folgte helle Begeisterung im Saal. Nina Stemme wird ab 13. 11. wieder als Elektra an der Wiener Staatsoper zu erleben sein. (end, 10.11.2015)