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Geballte Länderinteressen, konzentrierte Machtdemonstration.

APA

Als Österreich in den frühen 1990er-Jahren seinen Beitritt zur Europäischen Union in Brüssel verhandelte, war bald klar: Der Verwaltungsaufwand, der von Wien bis Bregenz betrieben wird, ist ein gewaltiger – und zum Teil eigentlich verzichtbar. Als daraufhin dem damaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky von seinem eigenen Verhandlungsteam vorgeschlagen wurde, nun eine Verwaltungsebene, nämlich jene der Länder, im Zuge des EU-Beitritts abzuschaffen, bekam der große Augen und sagte nur: "Das soll mir mal einer zeigen, wie man das durchsetzen soll." Damit war die Sache erledigt.

Und zwar offenbar für immer. Zwanzig Jahre später sind die Länder mächtiger denn je. Was sich auf Bundesebene bewegt (oder nicht), wird in den Landeshauptstädten beschlossen. Dagegenzuhalten wird täglich schwieriger, die Parteichefs stehen oder fallen mit der Gunst "ihrer" Landesgranden.

"Stil" als Totschlagargument

Das konnte man zuletzt bei den Verhandlungen um die Bildungsreform sehr eindrucksvoll beobachten. Landeshauptleute kamen und gingen aus den Verhandlungen, wie es ihnen passte – beziehungsweise, wenn ihnen etwas nicht passte. Erwin Pröll und Hans Niessl zogen sich aus der Bildungsreformgruppe zurück, zuletzt drohte auch der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer damit. Er musste, so hieß es, von ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner "überredet" werden zu bleiben. Immer hieß es, man "könne" nicht mit Heinisch-Hoseks "Stil" – ein Totschlagargument, denn worüber ließe sich trefflicher streiten als über Stilfragen?

Dabei geht es darum zuallerletzt. Es geht auch nicht einmal mehr um pädagogische Fragen. Streitpunkt ist einzig, ob der Bund oder die Länder die Schulverwaltung übernehmen sollen. Für die erste Variante sprang zuletzt sogar der grüne Bildungssprecher Harald Walser in die Bresche. Er präsentierte gemeinsam mit dem IHS-Experten Lorenz Lassnigg ein internes Papier der Finanzgruppe, das enorme Mehrkosten (rund 250 Millionen Euro) berechnet hat, sollten die Länder in der Schulverwaltung das Sagen haben.

Mehr Geld nur für die Verwaltung

Das bedeutet: Eine Viertelmilliarde Euro mehr, nicht für Schüler, nicht für Lehrer, nicht für Freizeitpädagogen, auch nicht für den Schulausbau und -umbau – nur für die Verwaltung eines riesigen Apparats, der noch zusätzlich auf eine ohnehin schon voluminöse Schuladministration draufgesetzt wird.

Es ist davon auszugehen, dass die Bildungsreformgruppe über die Berechnungen ihrer Untergruppe informiert ist. Die Länderchefs wissen also, was es den Staat (und damit die Steuerzahler) kosten würde, wenn ihre partikularen Machtinteressen befriedigt werden.

Festgeschriebene Machtdemonstration

Das hinderte Haslauer freilich nicht, an seine Länderkollegen einen Brief zu schreiben, in dem er die offenbar zuvor am Rande der Landeshauptleutekonferenz akkordierte Position der Länder noch einmal festschreibt: Die Landeshauptleute sind gleichzeitig die Präsidenten der jeweiligen "Bildungsdirektionen" in den Ländern. Sie bestimmen (statt in einem objektivierten) in einem verkürzten Verfahren, wer an "ihren" Schulen Direktor oder Direktorin wird. Sie haben die Schulaufsicht, Kontrolle von außen wird im Wesentlichen verunmöglicht. Pro Bundesland darf künftig nur ein Bezirk als Modellregion für die "gemeinsame Schule" gelten. Last but not least wäre auch die Zweigleisigkeit im Dienstrecht nicht bereinigt: Es gäbe nach wie vor Bundes- und Landeslehrer.

Ausweglose Situation

Kommt all das, wie die Länder es wünschen, bedeutet das: von Fortschritt keine Rede. Kommt es nicht, bedeutet es wahrscheinlich: Die Länder lassen die Verhandlungen scheitern. Die Bundesregierung ist einmal mehr in einer schier ausweglosen Situation. Die Sozialpartner sollen jetzt retten, was noch zu retten ist. Herauskommen wird, im besten Fall, ein verwaschener Kompromiss. Man darf gespannt sein.

Am Grundproblem in Österreich, das schon in den 1990er-Jahren sichtbar wurde, ändert das wieder einmal gar nichts. (Petra Stuiber, 12.11.2015)